Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In fast allen Kommunen in Deutschland wird über Mobilität und Verkehrswende intensiv diskutiert. Ob mehr Platz fürs Rad, sichere Schulwege oder saubere Luft: Viele Veränderungen bremst allzu oft das Bundesrecht aus. Die Grundlage von allem ist das Straßenverkehrsgesetz, ein Bundesgesetz, das im Kern noch aus der Kaiserzeit stammt. Mit diesem Gesetz sollte 1909 das neue Verkehrsmittel Auto gefördert werden. Dafür wollte man Platz schaffen auf den Straßen, die belebt waren, und deshalb hat man der Flüssigkeit des Autoverkehrs einen hohen Stellenwert im Gesetz eingeräumt. So wurden aus Straßen, in denen Menschen zu Fuß, mit Karren und Kutschen unterwegs waren, wo sie arbeiteten, spielten und sich aufhielten, mit der Zeit vielerorts oft öde Durchfahrtsschneisen. Auch 100 Jahre später ist das Straßenverkehrsgesetz vor allem darauf ausgerichtet, dass der Autoverkehr fließt. Hauptziel des Straßenverkehrsgesetzes ist die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Und das macht den Kommunen bei der Gestaltung von Straßen und öffentlichen Räumen das Leben schwer. Aber die Zeiten haben sich geändert, unsere Gesellschaft hat sich verändert. Nicht nur hat sich die Zahl der Autos vervielfacht – 1909 gab es 45 000 Autos in Deutschland, heute sind es knapp 50 Millionen –, sondern wir leben auch in einer modernen, vielfältigen Gesellschaft, in der die Menschen eben nicht nur mit dem Auto, sondern auch zu Fuß und mit dem Rad unterwegs sein wollen, einer Gesellschaft, in der viele Eltern wollen, dass ihre Kinder sicher und selbstständig zur Schule oder ins Schwimmbad fahren können, einer Gesellschaft, in der es längst vielen Menschen wichtig geworden ist, dass Städte und Gemeinden lebenswert sind. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag eine Änderung des Straßenverkehrsrechts vereinbart. Das Straßenverkehrsgesetz soll neue Ziele bekommen. Damit vergrößern sich die Entscheidungsspielräume der Kommunen, sodass sie Straßen und Plätze leichter an die Bedürfnisse vor Ort anpassen können. Sie können dann Radwege bauen oder einen Zebrastreifen anordnen, weil sie sich für die Gesundheit der Menschen einsetzen, weil sie ein Quartier lebenswerter machen wollen oder um einen Schulweg zu sichern. Dafür gibt es Rückenwind von inzwischen weit mehr als 900 Städten und Gemeinden aus ganz Deutschland – große und kleine Städte und Gemeinden aus allen Bundesländern. Sie werden von Parteien aller demokratischen Farben geführt, und sie sind sich in diesem Punkt absolut einig: Sie wollen selbst entscheiden – Zitat –, „wann und wo welche Geschwindigkeiten angeordnet werden – zielgerichtet, flexibel und ortsbezogen“, genau so, wie die Menschen vor Ort es brauchen und wollen. Auch die Verkehrsminister/-innen der Länder und der Deutsche Verkehrsgerichtstag unterstützen das, was sich die rund 900 Kommunen aus dem Städtebündnis wünschen: mehr Entscheidungsspielräume vor Ort. Das genau muss eine Reform des Straßenverkehrsrechts liefern. Sie muss den Kommunen Entscheidungsspielräume geben, damit sie die Herausforderungen in Sachen Unfälle, CO-Emissionen oder Luftverschmutzung angehen können. Dafür müssen Maßnahmen endlich leicht umsetzbar werden: zur Stärkung der klimafreundlichen Mobilität, für lebenswerte öffentliche Räume und vor allem für mehr Verkehrssicherheit. Kommunen müssen erkannte Gefahrenstellen endlich entschärfen können, ehe sich Unfälle ereignen und Menschen sterben. Der Gesetzentwurf liegt vor, und wir werden ihn nun im Parlament beraten. Die Kommunen fordern diese Reform schon lange. Machen wir aus ihr eine Reform, die den Kommunen den Handlungsspielraum gibt, den sie brauchen, damit sie unsere Straßen sicher machen können und Städte und Gemeinden in Orte für Menschen verwandelt werden. Vielen Dank.