Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, wie Ihnen das geht, aber nach der sehr intensiven und beeindruckenden Debatte zum ersten Todestag von Jina Mahsa Amini fällt es schon ein bisschen schwer, in den parlamentarischen Alltag zurückzukehren. Den Antrag, den wir jetzt gerade beraten, haben wir heute zum dritten Mal im Plenum. „Und täglich grüßt das Murmeltier“, möchte man an dieser Stelle sagen. So wie dem Protagonisten des gleichnamigen Filmes kommt mir das manchmal vor: die immer gleichen Vorschläge aus der Union im immer gleichen Duktus. Technologische Entwicklungen, Entwicklung der Rechtsprechung – alles egal, spielt offenbar keine Rolle. Für eine Rechtsstaatspartei wie Sie, liebe Union, wundert das schon ein bisschen; das ist schon bemerkenswert. Vor genau zwei Wochen hat das Bundesverwaltungsgericht abschließend zur deutschen Vorratsdatenspeicherung entschieden: rechtswidrig. Das Urteil lautet „rechtswidrig“. Die deutsche Vorratsdatenspeicherung – das mögen Sie nicht hören, ich weiß – ist Geschichte, und das ist gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen. Auch aus der Praxis – auch das werden Sie nicht gerne hören – mehren sich die Stimmen, die ganz andere Wege beschreiten wollen. Der von Ihnen selbst vorgeschlagene Gutachter bei der Anhörung zur Chatkontrolle, Oberstaatsanwalt Markus Hartmann, Profi in dem Bereich, Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime in Nordrhein-Westfalen, hat das ausdrücklich formuliert: Vorratsdatenspeicherung sei aus seiner Sicht für die Strafverfolgung genau nicht erforderlich. Das ist die Stimme aus der Praxis. Doch das alles scheint Sie, wie gesagt, nicht zu stören. Stereotyp wird an der Forderung festgehalten: Vorratsdatenspeicherung für IP-Adressen von sechs Monaten! Und – das ist mir ganz wichtig, zu betonen –: Es ist völlig unklar und schleierhaft – Sie haben ja sicherlich alle das Urteil des Europäischen Gerichtshofes gelesen –, wie Sie darauf kommen, dass die sechs Monate, die Sie in diesem Antrag fordern, einen auf das absolut Notwendige begrenzten Zeitraum darstellen sollen im Sinne des Urteils, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Frage müssen Sie beantworten. Sie streuen damit letztlich der Öffentlichkeit Sand in die Augen, und Sie nutzen dazu leider jede Gelegenheit, liebe Kolleginnen und Kollegen. Kollege Krings hat in der letzten Sitzungswoche in den Haushaltsberatungen zum Einzelplan 07 ausgeführt: Das oberste EU-Gericht hat vor fast einem Jahr die IP-Adressen-Speicherung für schwere Straftaten wie Kindesmissbrauch und Kinderpornografie ausdrücklich zugelassen. – Das waren seine Worte. Nur, das ist leider unvollständig, um das in aller Deutlichkeit zu sagen. Das gilt nämlich nur, wie formuliert, für „einen auf das absolut Notwendige begrenzten Zeitraum“. Statt sich dieser Debatte zu stellen, liebe Kolleginnen und Kollegen, schlagen Sie aber weiterhin vor, Rechtsunsicherheit im deutschen Recht zu behalten. Sie müssen sich die Frage gefallen lassen: Wollen Sie das, oder wollen Sie sich gemeinsam mit uns als Koalition auf den Weg machen, endlich eine rechtssichere Lösung zu finden, die den Sicherheitsbehörden und Ermittlungsorganen eine Möglichkeit gibt, endlich zielgerichtet zu ermitteln, liebe Kolleginnen und Kollegen? Das ist nämlich die Aufgabe. Eigentlich könnte man es sich heute mit dem Bericht – das ist ja formal das, was auf der Tagesordnung steht – ganz einfach machen. Das macht deutlich, dass die Beratung am heutigen Tag vielleicht noch andere Hintergründe hat als lediglich die Sache. Vor drei Monaten, nämlich am 21. Juni, ist im Rechtsausschuss beschlossen worden, dass wir am 11. Oktober eine öffentliche Anhörung genau dazu durchführen. Insofern gehen wir den nächsten Verfahrensschritt. Ich freue mich sehr auf die Debatte, besonders vor dem Hintergrund der Punkte, die ich gerade angesprochen habe. Dann kommen wir hoffentlich in eine sachliche Debatte zu dem Thema, und dann diskutieren wir hoffentlich gemeinsam darüber, was der richtige Weg ist, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich verstehe ja, dass Sie sich so aufregen: weil sich das nicht schön anhört. Ich verstehe das ja. Eins ist klar – der Kollege Krings hat es gerade reingemurmelt –: Natürlich ist das ein ganz wichtiges Thema. Und natürlich ist uns als Koalition klar, dass nicht alles gut ist. Wir wissen um die Erscheinung von Hass. Wir wissen um das Thema Kinderpornografie und Ähnliches. Wir sind uns genau deshalb über eines sehr bewusst: Wir als Koalition wollen gemeinsam einen rechtssicheren Weg finden, damit wir, wie gesagt, den Ermittlungsbehörden ein Mittel an die Hand geben, damit hier zielgerichtet ermittelt werden kann und die Aufklärungsquoten noch deutlich über 90 Prozent gehen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Für meine Fraktion, um das abschließend zu bemerken, kann ich eines ganz deutlich sagen: Natürlich hätten wir lieber gestern als heute die Vereinbarung des Koalitionsvertrages, in dem ausdrücklich drinsteht: „rechtssichere anlassbezogene Speicherung von Daten“, umgesetzt gesehen. Unser Vorschlag lautet Quick Freeze, übrigens ausdrücklich und rechtssicher zugelassen vom EuGH, im Unterschied zu Ihrem Vorschlag, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir bleiben bei unserer Position: Mit der FDP wird es keine Dauerüberwachung von Bürgerinnen und Bürgern geben. Vielen Dank.