Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Bär, ich gehe gar nicht auf Ihre Einlassungen ein; denn wie mein Kollege Djir-Sarai es schon gesagt hat: Heute geht es ausnahmsweise mal nicht um die Profilierung oder Instrumentalisierung von Leid. Es stehen heute die Menschen im Iran im Vordergrund und Mittelpunkt. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Freundinnen und Freunde der Freiheit im Iran! Der Missbrauch von Religion hat einen Namen. Die Angst vor der Stärke von Frauen, das irrsinnige Projizieren von Ehre und Tugend in ein Stück Stoff, Unterdrückung, Folter und das Verbreiten von Angst und Schrecken, auch das alles hat einen Namen: das Mullah-Regime im Iran. „Tod dem Diktator“ schallt es von den Balkonen in Teheran. Frauen gehen todesmutig mit offenem Haar auf die Straße. In den sozialen Netzwerken suchen sie sich ihre Plattform für ihren Protest, der auf keinen Fall verstummen darf und der auch nicht verstummen wird. Mutige Männer solidarisieren sich mit ihnen. Die Revolution im Iran ist noch nicht vorbei. Ein guter Freund sagt mir immer wieder: Eine Revolution ist kein Sprint; der Wandel ist ein Marathonlauf. – Die Menschen im Iran sind zwar noch nicht am Ziel, aber sie laufen. Es bewegt sich etwas im Iran – trotz der verstärkten Repressionen im Hinblick auf den Todestag von Jina Mahsa Amini, trotz der vielen Hinrichtungen im Kontext der Proteste und trotz weiterer Verhaftungen, weiterer gezielter Tötungen, täglicher Angriffe und Bedrohungen. Jinas gewaltsamer Tod hat den Ruf nach Freiheit entfacht. Sie lebt als Widerstandssymbol gegen das Mullah-Regime in den Iranerinnen und Iranern weiter. Wir dürfen nicht zulassen, dass der Mut dieser Opfer in Vergessenheit gerät. Daher gedenken wir heute nicht nur Jina Mahsa Aminis als einzelner Kämpferin, sondern auch derjenigen, die infolge ihres Todes auf die Straße traten, um ihre Stimme zu erheben. Auch unter ihnen gab es zahlreiche Opfer. Einige von ihnen waren unsere Schützlinge. Viele Kolleginnen und Kollegen haben so wie ich politische Patenschaften übernommen. Einige unter uns mussten die schmerzhafte Erfahrung machen, dass die Patenschaften mit menschenverachtenden Hinrichtungen durch das Terrorregime Irans beendet wurden. Ich weiß nicht, was mit meinem Schützling passiert. Ich weiß nicht, ob er seinen 20. Geburtstag erlebt. Der 19-jährige Mehdi sitzt seit fast einem Jahr im Folterknast. Er wurde zum Tode verurteilt – zweimal. Nicht einmal, zweimal. Das ist einfach nur unfassbar! Der Ruf nach Freiheit gehört in die Zukunft und nicht in den Knast. Ebenso wenig gehören Navid Taghavi und Jamshid Sharmahd ins Gefängnis. Sie gehören nach Hause zu ihren Töchtern. Alle politischen Gefangenen müssen sofort freigelassen werden. Bis das passiert, ist es wichtig, dass wir den Opfern und Unterdrückten sagen: Wir vergessen euch nicht. Wir sehen jede Einzelne, jeden Einzelnen von euch. Wir lassen nicht zu, dass die Mullahs euch entmenschlichen. Das Ende des Mullah-Regimes ist nur eine Frage der Zeit, und so lange stehen wir an eurer Seite. Jin, Jiyan, Azadi! Danke.