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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Katastrophen in Marokko und Libyen reihen sich ein in eine inzwischen sehr lange Reihe von Klima-, Umwelt- und anderen Katastrophen, die in immer kürzeren Abständen auftreten und – so sagen einige – an die wir uns anscheinend gewöhnen müssen.
Ich sage Ihnen mal was: Ich möchte mich daran nicht gewöhnen! Weder möchte ich so abstumpfen, dass mich die Schicksale der von Klima- und anderen Katastrophen betroffenen Menschen nur für die Dauer der „Tagesschau“-Meldung berühren, noch möchte ich die Folgen des Klimawandels – und nichts anderes sind die Extremwetterereignisse – als gegeben hinnehmen.
Eine dieser katastrophalen Folgen ist die Flut in Libyen, bei der nach letzten Schätzungen der Vereinten Nationen – wir haben es gehört – über 11 000 Menschen ihr Leben gelassen haben. Nein, die Häufung solcher extremen Ereignisse muss genau das Gegenteil von Abstumpfung und Akzeptanz bedeuten, nämlich dass wir anhaltende Solidarität mit den betroffenen Ländern zeigen und in unserem Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel nicht nachlassen.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Was auch mich nachhaltig beeindruckt hat, ist die direkt nach dem Beben in Marokko angelaufene Hilfe innerhalb der marokkanischen Zivilgesellschaft vor Ort. Wirklich jeder will helfen und gibt, was er kann. Die Solidarität ist enorm, und mir wurde berichtet, dass im ganzen Land umgehend Sammelplätze für Lebensmittel, Medikamente und alle anderen lebensnotwendigen Dinge eingerichtet wurden. Zehntausende haben Blut gespendet, und es werden private Hilfskonvois in die Katastrophengebiete geschickt. Eine überwältigende Welle des Mitgefühls, der gemeinsamen Trauer, aber auch der Solidarität und Selbsthilfe geht durch das Land. Und das betone ich hier heute deswegen, weil ich in einem der zahlreichen unsäglichen AfD-Anträge kürzlich etwas von – ich zitiere – „mangelnder Eigenverantwortung in Afrika“ gelesen habe. So viel dazu.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Lassen Sie mich kurz auch auf die Organisation der staatlichen Hilfe vor Ort eingehen. Ich teile in diesem Fall die hier in Deutschland sehr schnell erfolgte pauschale Kritik an der Regierung und der Organisation der Hilfe nicht. Denn zunächst – das haben andere, vergleichbar komplexe Krisenkontexte gezeigt – ist es durchaus sinnvoll, erst einmal ausgewählte ausländische Hilfsangebote anzunehmen, um die Hilfe besser koordinieren zu können. Dies gilt vor allem für so unwegsame Gebiete wie das Epizentrum des Bebens im Atlasgebirge, das sehr schwer zugänglich ist. Und es gibt Hilfsgütertransporte des Deutschen Roten Kreuzes – wir haben es heute schon gehört –, die Zelte und andere lebensnotwendige Dinge liefern. Das ist genau die humanitäre Hilfe, die nun benötigt wird.
Nach allem, was ich aus Marokko höre, ist die Hilfe der Regierung nun angelaufen: Suchmannschaften zur Rettung von Verletzten sind vor Ort. Nahrungsmittel, Zelte, Decken und Kleidung werden verteilt. Die Infrastruktur im Schadensgebiet wird langsam wiederaufgebaut. Familien erhalten Soforthilfen, und es gibt ein erstes Wiederaufbauprogramm. Und ich erlaube mir an dieser Stelle, zu sagen: Dass das möglich war, das ist auch ein Ergebnis unserer langjährigen Zusammenarbeit mit Marokko; denn Marokko hat in den letzten Jahren spürbare politische, wirtschaftliche und soziale Fortschritte erzielt. Und der Blick nach Libyen zeigt, welch lebensrettenden Unterschied es für die Bevölkerung macht, wenn ein Staat in der Lage oder eben nicht in der Lage ist, auf solche Katastrophen zu reagieren. Genau deswegen differenzieren wir unsere Hilfe und unsere Ansätze.
Um Libyen langfristig in die Lage zu versetzen, müssen wir – nach der nun so dringend benötigten Phase der kurzfristigen humanitären Hilfe – den Fokus in unserer Zusammenarbeit mit Libyen beibehalten. Wir unterstützen das Land weiterhin bei der Friedensfindung, dem Wiederaufbau demokratischer Institutionen und der Umsetzung politischer und wirtschaftlicher Reformen, damit Libyen zukünftig in der Lage ist, seine Bevölkerung vor einer Katastrophe wie der jetzigen zu beschützen bzw. nach einer Katastrophe eigenverantwortlich und unmittelbar Hilfe zu leisten, und damit die Zivilgesellschaft autokratischer Staaten wie Libyen den Folgen des Klimawandels nicht schutzlos ausgeliefert ist.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Was ich hinsichtlich der Berichterstattung zu möglichen politischen Gründen für erfolgte oder auch nicht erfolgte Hilfeleistungen noch betonen möchte, ist: Ich begrüße es ausdrücklich, dass sich nach einer Phase des diplomatischen Schweigens die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Marokko langsam wieder normalisieren und wir unsere Entwicklungszusammenarbeit wieder aufgenommen haben.
Mit Blick auf unsere weitere Zusammenarbeit noch ein Ausblick: Erste Schätzungen gehen davon aus, dass der Wiederaufbau sechs Jahre in Anspruch nehmen wird. Und der Wiederaufbau wird das Land vor große Herausforderungen stellen und manche Entwicklungsfortschritte rückgängig machen. Hier werden auch wir zukünftig als verlässlicher Partner gefordert sein.
Und es ist genau richtig, die kommende Weltbank-Tagung im Oktober trotz des Erdbebens in Marrakesch abzuhalten. Nicht nur, da man damit Solidarität gegenüber der marokkanischen Bevölkerung signalisiert, sondern auch mit Blick auf die Agenda. Es ist richtig, Themen wie die Reform der Bank oder die Stärkung der Widerstandsfähigkeit –
Kommen Sie zum Schluss, bitte.
– von Volkswirtschaften gerade nicht in Washington zu diskutieren. Dass dies nun in Marrakesch auf der Tagesordnung steht, ist absolut wichtig und richtig!
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.