Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die Menschen in Deutschland kommt gerade vieles zusammen: Verunsicherung durch Putins Krieg und eine sich verändernde Welt, Wandel unserer Industrie hin zur Klimaneutralität, Veränderung der Jobs und der eigenen Arbeit durch Digitalisierung, Automatisierung und künstliche Intelligenz. Schon die Organisation eines ganz normalen Familienalltags ist kompliziert genug, und wenn noch etwas dazukommt – Krankheit, keine Betreuung fürs Kind oder pflegebedürftige Eltern –, dann ist das kaum zu packen. Der Deutschlandpakt, um die Dinge schneller und einfacher zu machen, gilt nicht nur der Wirtschaft im Wandel; er gilt genauso – das hat der Kanzler gesagt – für die Dinge, die den Menschen ihren Alltag schwerer und bürokratischer machen. In schweren Zeiten muss es einfacher werden, müssen die Lasten auf vielen, vor allem auf den starken Schultern getragen werden. Es ist schade, dass einige die Krise nutzen wollen, um das Gegenteil zu tun, um durchzusetzen, was sie schon immer wollten: den Sozialstaat schleifen und damit dazu beitragen, dass vor allen Dingen die kleinen Leute den Gürtel enger schnallen müssen. Da gibt es manche, die, wenn sie vom Mittelstand reden, nicht diejenigen meinen, die den ganzen Tag hart arbeiten gehen, sondern die sich selbst und die Besserverdienenden meinen. Gleichzeitig wollen sie, dass hart arbeitende Menschen bis 72 schaffen sollen. Das ist unanständig. Wer 45 Jahre gearbeitet hat, hat es verdient, früher als andere in Rente zu gehen; und das bleibt auch so! Wollen wir unseren Wohlstand und ein gutes Zusammenleben sichern, dann brauchen wir einen starken Sozialstaat, der für Gerechtigkeit sorgt, und eine starke Sozialpartnerschaft. Diejenigen, die den Wohlstand schaffen und eine hohe Lebensqualität in Deutschland sicherstellen, sind die in den Werkshallen, an den Krankenbetten, in den Kitas, auf den Traktoren, den Bussen, auf der Bahn, in den Lkws und viele, viele andere mehr. Deswegen haben wir den Mindestlohn als Anstandsuntergrenze auf 12 Euro angehoben, und deswegen haben wir bei den kleinen Einkommen die Steuern und die Sozialabgaben gesenkt. Deswegen werden wir mit dem Bundestariftreuegesetz dafür sorgen, dass mehr Menschen von Tarifverträgen profitieren, dass billige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen kein Vorteil sind, wenn es um Aufträge des Bundes geht. Denn wo Tarifverträge gelten, sind die Löhne höher und die Arbeitsbedingungen besser; und davon wollen wir wieder mehr. Dazu haben wir das Wohngeld deutlich verbessert; denn niemand darf, weil es keine bezahlbare Wohnung gibt, arm werden. Dazu kommt die Kindergrundsicherung; denn niemand darf wegen seiner Kinder arm werden. Ein großer Schritt dazu ist gemacht: 250 Euro Kindergeld, bis zu 250 Euro Kinderzuschlag; das ist viel, das hilft, und das ist die erste Etappe zur Kindergrundsicherung. Denn arm trotz Arbeit, das darf es in Deutschland nicht mehr geben. Dafür haben wir viel getan und noch einiges vor – anders als die Union: Nein zur Mindestlohnerhöhung, Nein zur Weiterbildung, Nein zur Ausbildungsgarantie, Nein zum inklusiven Arbeitsmarkt, Ja zum Bürgergeld – da wenigstens haben Sie richtig gehandelt. Arbeit muss sich lohnen, das sagen hier alle. Dazu gehört aber zwingend: Von Arbeit muss man auch gut leben können. Dazu gehört eben nicht, dass wir die aus unserer Gesellschaft herausfallen lassen, die, aus welchen Gründen auch immer, länger arbeitslos sind. Die Gründe sind verschieden: Da gibt es den Unions-Arbeitslosen, der dem „Bild“-Zeitungs-Arbeitslosen sehr ähnelt: faul, ungepflegt, mit der Bierflasche auf dem speckigen Sofa, gut für jede Empörung. Und dann gibt es auch die, die keinen Unterhalt für ihre Kinder und keine Krankenversicherung zahlen wollen, die schwarzarbeiten und denen deswegen im Zweifel auch die härtesten Sanktionen der Union egal sind. Das sind die Fälle für Polizei und Zoll. – Und wir orientieren uns nicht an Umfragen, sondern an Wahlergebnissen. Die letzte Bundestagswahl haben, glaube ich, wir gewonnen. Aber meistens ist es eben ganz anders – hören Sie zu, Herr Gröhe –, meistens ist es anders. Da sind es nicht die, von denen Sie die Bilder zeichnen. Da sind es Alleinerziehende, wo Kinderbetreuung und Arbeitszeit oft nicht aufeinanderpassen. Arbeit und trotzdem Bürgergeld, das betrifft jede vierte Bedarfsgemeinschaft oder Menschen, die sich vielleicht nicht oder nicht so schnell von schweren Schicksalsschlägen erholen. Die Pandemie hat uns gezeigt, wen es alles treffen kann: Selbstständige, die sich nie haben träumen lassen, dass es sie trifft, und auch die Menschen, die gesundheitliche Probleme haben, mentale und körperliche: der 60-jährige Dachdecker mit Rücken, der nicht gleich auf einem IT-Arbeitsplatz bis zur Rente weiterarbeiten kann. In Zeiten wie diesen, liebe Union, ist es so leicht, die einen gegen die anderen zu führen. Aber verantwortungsvoll ist es nicht, und christlich ist es schon gar nicht. Deswegen ist es richtig, was wir tun: Wir investieren in die Menschen, in ihre Bildung, in ihre Arbeitsplätze. Wir investieren aber auch in Menschen ohne Arbeit mit dem Bürgergeld, weil sie eine zweite Chance brauchen und weil wir sie brauchen auf dem Arbeitsmarkt, – – in anständigen Jobs. Deswegen brauchen wir eine anständige Finanzierung der Jobcenter, gerade in Zeiten wie diesen. Da ist noch was zu tun. Glück auf!