Dass es noch viel zu tun gibt, zeigt doch nur: Wir müssen uns noch viel stärker denn je dafür einsetzen. Das ist unsere Aufgabe. Statt ideologischer Blindheit hinterherzulaufen und in nationalen Egoismen zu verharren, ist für uns klar: Der Globale Norden, auch Deutschland, hat eine große Verantwortung. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einigen Wochen war ich mit meiner Kollegin Karoline Otte in der Ukraine. Wir haben uns mit Bürgermeistern getroffen, die darüber berichtet haben, wie wichtig die Städtepartnerschaften beim Wiederaufbau ihrer Gemeinden sind und wie herausfordernd die Situation beispielsweise in Bezug auf den Bauschutt ist. Wir haben uns mit Frauenrechtsorganisationen getroffen, die den großen Bedarf an der Aufarbeitung von Traumata gerade von Kindern und Frauen noch einmal deutlich gemacht haben. Wir haben mit Menschen geredet, deren Häuser während der russischen Besatzung komplett zerstört wurden und in deren Dörfern gerade ganz viele Menschen aus aller Welt diese Häuser Stein für Stein wieder aufbauen. Die stellvertretende Ministerin für Infrastruktur Oleksandra Azarkhina – Agnieszka Brugger ist schon darauf eingegangen – hat dabei einen Satz gesagt, der mir bis heute in Erinnerung bleibt: Wiederaufbau ist Widerstand, und zwar jeden Tag. Ich bin zurückgekommen mit großem Respekt vor dem, was die Menschen in der Ukraine jeden Tag leisten, und ich bin auch zurückgekommen mit dem Wissen, dass wir als Teil der internationalen Gemeinschaft den Auftrag haben, einen Weg zu finden, wie wir die Ukraine langfristig auch beim Wiederaufbau unterstützen und gleichzeitig sicherstellen, dass wir die anderen Krisen und Konflikte in dieser Welt dabei nicht vergessen. Denn eins ist spätestens seit der Zeitenwende klar: Sicherheit für alle kann es nur geben, wenn wir die zusammenhängenden Konflikte gemeinsam bekämpfen. Zum Glück gibt es dafür einen gemeinsamen Rahmen, die Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung. Bis 2030 wollen wir erreichen, allen Menschen Zugang zu einwandfreiem Trinkwasser zu geben. Wir wollen, dass kein Mensch mehr unter Hunger und Mangelernährung leidet und dass alle Formen der Diskriminierung von Frauen und Mädchen weltweit beendet werden. Normalerweise höre ich jetzt immer so vom rechten Rand, wenn die Kollegen nicht die ganze Zeit aufs Handy gucken, Rumoren, und ich weiß ja – da kommt es schon –, Sie haben große Probleme damit. In Ihrer Broschüre für entwicklungspolitische Leitlinien der AfD-Bundestagsfraktion bezeichnen Sie die Zielsetzung der Agenda 2030 als – hören Sie zu! – utopisch, sozialistisch und bevormundend. Sie sagen damit quasi, das Abschaffen von Zwangsarbeit und Menschenhandel sei utopisch. Sie sagen, dass es bevormundend sei, Kinderarbeit zu beenden und Hunger weltweit zu beenden. Sie sagen also, dass nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum und der Zugang zu sauberem Trinkwasser Ihrer Meinung nach sozialistisch sei. Diese Bevormundung, wie Sie es nennen, heißt bei uns übrigens „Menschenrechte“. Dass es immer noch nicht gelungen ist, die Menschenrechte überall und für jeden Menschen umzusetzen, ist ein großes Problem, und das ist eine Menschheitsaufgabe. Aber Sie machen es sich einfach und nennen Grundrechte eine Utopie. Sie wollen sich also noch nicht mal dafür einsetzen, dass alle Menschen in dieser Welt in Würde leben können. – Fangen Sie erst mal an, richtig zu lesen und zu denken; dann können wir weiterreden. Es heißt, dass wir in Zeiten voller globaler und geopolitischer Herausforderungen den in der Nationalen Sicherheitsstrategie verankerten breiten Sicherheitsbegriff ernst nehmen und vorausschauend genauso viele Aufwüchse für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe wie für Verteidigung benötigen. Denn wir wissen alle: Es kostet weniger, Krisen vorzubeugen, als sie zu bekämpfen. „Zeitenwende“ muss heißen, im internationalen Kontext an der Seite unserer Partner/-innen weltweit für globale Gerechtigkeit zu kämpfen, sowohl durch ausreichende Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit als auch durch das gemeinsame Vorantreiben von strukturellen Reformen wie der Weltbankreform oder der UN-Steuerkonvention für mehr globale Steuergerechtigkeit. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss unser Ziel sein, und dafür werden wir als Grüne, werden wir als demokratische Fraktionen in den anstehenden Beratungen und auch darüber hinaus weiter kämpfen. Denn wir haben etwas sehr, sehr Wertvolles in dieser Welt: eine Demokratie. Wir kämpfen gemeinsam dafür, dass globale Gerechtigkeit am Schluss Realität wird. Der rechte Rand hier im Hause hat damit rein gar nichts zu tun. Ich bin froh darüber, dass wir in den kommenden Monaten und Jahren klarmachen werden, dass für uns Demokratie etwas sehr, sehr Wertvolles ist, für das es sich zu kämpfen und zu streiten und über das es sich auch hier im Plenum zu debattieren lohnt. Auch wenn wir inhaltlich nicht immer einer Meinung sind, so schätzen wir am Schluss doch die Demokratie. Das fehlt Ihnen.