Die Uhr für ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren tickt damit unaufhörlich. auch die Anwendungsfrist ist inzwischen verstrichen. Und die Verbraucher müssen immer noch warten. Erst im Herbst wird das Gesetz in Kraft treten, weil die Ampel in den letzten Wochen reihenweise ihre eigenen Zeitpläne über Bord geworfen hat und das Gesetz nicht mehr vor der Sommerpause in den Bundesrat bekommt. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich musste letzte Woche schon ein bisschen schmunzeln, als ich die Pressemitteilung der Ampel zur Einigung zum Verbandsklagengesetz gelesen habe. „Meilenstein für den Verbraucherschutz“, „Game-Changer für … die Justiz“, „großer Schritt zu mehr Gerechtigkeit“. Ganz schön dick aufgetragen! Wenn man in den Gesetzentwurf blickt, dann merkt man ziemlich schnell: Anspruch und Wirklichkeit klaffen bei der Ampel mal wieder meilenweit auseinander. Aber fangen wir an der Stelle einfach mal mit was Erfreulichem an: Endlich bekommen die Verbraucher mit der Abhilfeklage ein neues Instrument an die Hand, mit dem sie ihre Rechte künftig gemeinsam und unmittelbar durchsetzen können. Lange haben sie darauf gewartet – zu lange. Die Umsetzungsfrist für die Verbandsklagenrichtlinie ist bereits im letzten Dezember abgelaufen, Kein Einzelfall! Das zeigt ein Blick in den Entwurf für den Bundeshaushalt 2024. 35 Millionen Euro veranschlagt das Bundesministerium der Justiz dort für Strafzahlungen an die Europäische Union. Ein Verfassungsministerium, das den Rechtsbruch in seinem Haushalt einpreist – bemerkenswert! Man muss dem Ministerium zugutehalten: Es kann selbst noch nicht einmal was dafür. Denn die Gründe dafür, dass Millionen an Steuergeldern für eine bessere Ausstattung der Justiz fehlen, sind entweder die ewigen Taktierereien der Ampel, wie beim Hinweisgeberschutz, oder die ewigen Streitereien der Ampel, wie bei der Verbandsklage. Die Zeche zahlen am Ende die redlichen Steuerzahler. Aber kommen wir zurück zu etwas Erfreulichem. Die Änderungsanträge der Ampel zum Verbandsklagengesetz enthalten einige gute Ansätze; der Kollege Lieb hat einige eben genannt. Der Kreis der kleinen Unternehmen, die Verbrauchern gleichgestellt werden, wird auf ein gesundes Maß reduziert. Die Finanzierung von Verbandsklagen wird stärker reguliert. Und die Anforderungen an die Gleichartigkeit der betroffenen Ansprüche werden an die Lebenswirklichkeit angepasst. Gut so! Und gut, dass die FDP-Fraktion sich hier gegen ihre Koalitionspartner durchgesetzt hat. Diesen erfreulichen Änderungen stehen aber auch einige unerfreuliche gegenüber: Erstens wird der Streitwertdeckel weiter abgesenkt. Aus ursprünglich 500 000 Euro sind erst 410 000 Euro und jetzt 300 000 Euro geworden. Mit Logik hat dieser Koalitionsbasar ehrlicherweise nichts mehr zu tun und mit einer fairen Verteilung des Kostenrisikos zwischen Verbraucherschutzverbänden und Unternehmen auf der anderen Seite auch nicht. Zweitens wird der Zeitpunkt, zu dem sich die Verbraucher einer Verbandsklage anschließen können, noch weiter nach hinten geschoben. Aus dem bewährten Tag vor dem ersten Termin sind erst zwei Monate nach dem ersten Termin und jetzt schließlich drei Wochen nach Schluss der mündlichen Verhandlung geworden. Die erste Instanz wird damit zu einer reinen Durchlaufinstanz. Bis zum Ende des Verfahrens wissen Parteien und Gericht nicht abschließend, wer mit wem worüber streitet. Der Anreiz für einen Vergleich ist in dieser Instanz gleich null. Ein Vergleich und ein Urteil sind bis zu diesem Zeitpunkt auch gar nicht möglich. Das wird die Verfahren unnötig in die Länge ziehen. Das erkennt übrigens auch die Bundesregierung. In der Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrats lehnt sie den jetzt vorgesehenen späteren Zeitpunkt für die Anmeldung der Verbraucher klar und deutlich ab. Die bisherige Regelung, schreibt sie, stelle einen „sachgerechten Ausgleich zwischen Verbraucher- und Unternehmerinteressen dar“. „Erst durch die Anmeldung“ wüssten „Gericht und … Parteien …, welche Einzelansprüche der Klage zugrunde liegen“. Dies diene „der Rechtsklarheit“ und einem „gerichtlichen Vergleich“. Ausnahmsweise einmal richtig; aber scheinbar haben selbst die Kolleginnen und Kollegen der Ampelfraktionen inzwischen jegliches Vertrauen in ihre eigene Bundesregierung verloren. Schließlich bleiben auch die grundsätzlichen Schwächen dieses Gesetzes bestehen. Es enthält keinerlei Anreize für einen rechtsschutzversicherten Kläger und auch für seinen Anwalt, auf eine Individualklage zu verzichten und sich stattdessen einer Verbandsklage anzuschließen. Es hat kein Potenzial, unsere Gerichte zu entlasten. Im besten Fall werden Verbraucher damit künftig mehr Ansprüche geltend machen als bisher. Gut so, aber das bedeutet nicht weniger Arbeit, sondern mehr Arbeit für unsere Gerichte. Und: Das Gesetz gibt auch wieder einmal keine Antwort auf die Hilferufe der Justiz in Sachen Massenverfahren. Nach zwei Jahren fällt Ihnen einzig und allein eine geradezu mickrige Ergänzung der Möglichkeit ein, ein Verfahren im Fall eines verwertbaren Sachverständigengutachtens in einem Parallelverfahren auszusetzen – sonst nichts. Kommen Sie bitte an der Stelle jetzt nicht auf das geplante Leitentscheidungsverfahren beim Bundesgerichtshof. Das ist ein von vornherein untauglicher Versuch, Massenverfahren besser zu bewältigen. Oder, wie es der Deutsche Richterbund geschrieben hat – ich zitiere –: Nein, im Gegenteil: Es lässt unsere Gerichte weiter im Regen stehen und ihre Hilferufe ungehört verhallen. Fazit: Das Verbandsklagengesetz wird dem eigenen Anspruch und schon gar nicht den großspurigen Ankündigungen der Ampel gerecht. Es ist eine vertane Chance für einen besseren Rechtsschutz für Verbraucher und für eine wirksame Entlastung unserer Justiz. Deswegen werden wir dieses Gesetz heute ablehnen.