Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute abschließend die Umsetzung der EU-Richtlinie über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen von Verbraucherinnen und Verbrauchern, das Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz, kurz: VRUG. Was technisch klingt, ist in der Tat ein zentrales europäisches Anliegen, um die Rechtsdurchsetzung für Verbraucherinnen und Verbraucher in Fällen mangelhafter Leistung bei Kollektivfällen zu erleichtern und damit gleichzeig die Justiz zu entlasten. Ich glaube, das ist ein wichtiges rechtspolitisches Signal, eigentlich eine rechtspolitische Win-win-Situation, liebe Kolleginnen und Kollegen. Mit der Umsetzung der Richtlinie schaffen wir die Möglichkeit für Verbraucherinnen und Verbraucher, bei gleichartigen Ansprüchen wegen mangelhafter Leistungen – ein typischer Fall sind die Dieselprozesse – ihre Ansprüche über einen anerkannten Verband durch- und umzusetzen. Der bekannteste Anwendungsfall sind, wie gesagt, die Dieselklagen. Diese haben 2018 zur Musterfeststellungsklage geführt. Der wesentliche Unterschied – deswegen gibt es ja diesen Änderungsbedarf; deswegen beraten wir heute – ist, dass Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Musterfeststellungsklage zunächst gemeinschaftlich einen Mangel gerichtlich feststellen lassen konnten und im zweiten Schritt dann ihre Interessen individuell durchsetzen mussten. Genau an diesem Punkt setzt die Richtlinie an. Nach der Richtlinie heißt es jetzt: Verbände haben die Möglichkeit, im eigenen Namen Zuwiderhandlungen gegen Verbraucherrechte vor Gericht zu bringen und im zweiten Schritt durch Abhilfeklagen die Verbraucherrechte dann auch unmittelbar durchzusetzen. Derartige Formen von kollektiven Abhilfeklagen kannte das europäische, kannte das deutsche Recht nicht. Das ist das richtige Signal für die zukünftige Verfahrensvereinfachung in diesem Bereich. Anhand von insbesondere drei Punkten können wir deutlich machen, mit welchem klugen, abgewogenen Kompromiss wir als Koalition diese Richtlinie umsetzen: Wir haben uns erstens für ein Modell der eingeschränkten und transparenten Finanzierung durch Dritte entschieden. Wir begrenzen die Möglichkeit der Drittfinanzierung auf 10 Prozent der Gewinnabschöpfung. Damit verhindern wir unter dem Blickwinkel von Geschäftsmodellen, dass hier ein neues Geschäftsmodell umgesetzt wird. Die vorgesehene Offenlegung der Mittel sorgt dafür, dass wir eine höhere Transparenz und eine höhere Chancengleichheit der Parteien in diesem Verfahren haben. Das ist die erste wichtige Botschaft der Umsetzung. Zweitens wird die Verjährung nur für die tatsächlich angemeldeten Ansprüche gehemmt. Nicht angemeldete Ansprüche verjähren damit ganz gewöhnlich. Durch die Anwendung dieser Verjährungshemmung und eine klare Regelung zum spätestmöglichen Zeitpunkt der Anmeldung zu den Verfahren, nämlich drei Wochen nach der mündlichen Verhandlung, wahren wir einerseits die Rechte der Verbraucher, schaffen die Möglichkeit, dass man noch unter dem Eindruck der Hinweise des Gerichts entscheiden kann: „Bin ich dabei, oder bin ich nicht dabei?“, sorgen aber auf der anderen Seite auch für Rechtssicherheit der an dem Verfahren beteiligten Unternehmen. Keine Rosinenpickerei, aber ein klares Konzept, ein klares Verfahren, wie man sich an diesen Klagen beteiligen kann, liebe Kolleginnen und Kollegen. Drittens werden kleine Unternehmen, und zwar nur diese, Verbraucherinnen und Verbrauchern im Bereich der Umsetzung der Richtlinie gleichgestellt. Diese kleinen Unternehmen – das sind Unternehmen, die weniger als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen, Unternehmen, deren Jahresumsatz oder Jahresbilanz weniger als 10 Millionen Euro beträgt –, die halten wir für schutzwürdig. Deswegen sind diese Unternehmen auch in die Umsetzung dieser Richtlinie integriert; die können sich an entsprechenden Verfahren beteiligen. Auch das ist ein wichtiges Signal an die kleinen Unternehmen in diesem Land. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich gegen Ende abschließend wenige Punkte festhalten. Wir haben hier miteinander in intensiver Diskussion einen klugen und ausgewogenen Weg gefunden, die Richtlinie vernünftig in deutsches Recht umzusetzen – in der Balance zwischen der Entlastung der Justiz einerseits und der Rechtssicherheit und Waffengleichheit der Parteien andererseits. Ich glaube, der Schritt, den wir hier machen, ist eine gute Nachricht für den Rechtsstandort Deutschland. Der vorliegende Entwurf zeigt unseren Gestaltungswillen als Ampelkoalition; dieser wird ja in dieser Woche im Besonderen bestritten. Aber hier wird mal deutlich, dass wir Dinge umsetzen, intensiv zusammenarbeiten und zu klugen Lösungen kommen. Den Umsetzungsspielraum der Richtlinie haben wir entsprechend abgewogen und ausgewogen ausgenutzt und legen hier heute den Entwurf zur finalen Abstimmung und Beschlussfassung vor. Wir bitten um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung und zur Entschließung der Koalition. Das ist ein guter Tag für den Rechtsstandort Deutschland, ein guter Tag für die Effektivierung der Justiz und ein guter Tag für Verbraucherinnen und Verbraucher. Vielen Dank.