Vielen Dank, Herr Präsident. – Wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen: Sie haben mit der Brille ja tatsächlich ein bisschen etwas von Sir Elton John. Nein, nein. – „I’m Still Standing“ vielleicht. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! „Liberté, Égalité, Fraternité“ – spätestens seit den tödlichen Schüssen auf den 17-jährigen Nahel und den darauffolgenden Ausschreitungen klingt das für die von Gewalt Betroffenen wie Hohn: für die Angehörigen, die um ihren Sohn und Freund trauern, für Kommunalpolitiker/-innen, die sich landesweit massiven Angriffen ausgesetzt sehen, und für all jene, die sich momentan in Frankreich nicht mehr auf die Straße trauen. Auch wenn die Wut und Trauer um die tödlichen Schüsse nachvollziehbar sind, die massive und rücksichtslose Gewalt, die Zerstörungswut und der Hass sind es auf keinen Fall. Das will ich in aller Deutlichkeit sagen. Die AfD fragt heute, wie wir das in Deutschland verhindern können. Das tut sie natürlich nicht aus Sorge oder deshalb, weil ihr Fraternité am Herzen liegt, sondern weil sie sich mit rassistischen Klischees und einer angeblichen Überfremdung inszenieren möchte. Dazu passt, dass Leute aus Ihrem Umfeld Videos und Beiträge posten, die gar nicht aus Frankreich stammen, einfach nur, um die Stimmung anzuheizen. Rechtsextreme zeichnen damit bewusst apokalyptische Bilder über vermeintliche Parallelgesellschaften. Wir sehen wieder: andere Religion, andere Herkunft, anderes Aussehen, andere Namen – und Sie ziehen mit einer breiten Spur des Rassismus durch dieses Haus hier und durch dieses Land. Menschen, die hierzulande den Laden am Laufen halten, sind für Sie Feindbilder, sei es der Straßenbahnfahrer mit tunesischen Wurzeln, der Bauingenieur aus dem Irak oder die Ärztin mit Eltern aus der Türkei. Das hier sind für Sie keine Mitmenschen, sondern das sind Feindbilder. Aber wenn wir diese Menschen nicht auch hier hätten, dann würden wir alle, dann würden auch Sie ganz schön in die Röhre gucken. Sie wünschen sich für Deutschland Bilder aus Frankreich förmlich herbei. Sie wollen, dass es Deutschland schlecht geht, um die Demokratie und die Gesellschaft zu destabilisieren. Aber da haben Sie die Rechnung ohne uns gemacht, ohne die demokratischen Kräfte hier im Haus und im Land. Wer wirklich Lehren aus Frankreich ziehen will, ohne mit dem Finger auf die Franzosen zu zeigen, der muss sich auch mit der Realität auseinandersetzen. Da empfehle ich ein „Spiegel“-Interview mit dem französischen Soziologen François Dubet, der sagte, was die Hintergründe sind. Es ist nämlich die zweite, dritte, ja, vierte Generation von Einwanderinnen und Einwandern, meist Kinder und Jugendliche unter 18, Franzosen, die kaum Jobchancen haben und am häufigsten unter Polizeigewalt leiden. Sie fühlen sich abgehängt, nicht ernst genommen, nicht als Teil der Gesellschaft. Das rechtfertigt natürlich nicht die Gewalt, aber es hilft bei der Suche nach einer Antwort auf die Frage des Warum. Und es zeigt für uns als Politik, dass es darum geht, Zusammenhalt zu stärken und nicht Spaltung herbeizutreiben. Der Kollege Kuhle hat gerade eben schon die verschiedenen Faktoren angesprochen, die dabei wichtig sind zu beachten, und ich möchte auf die wichtigen Faktoren für eine gelingende Integration eingehen. Dafür muss Politik die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Jeder Mensch braucht eine chancenreiche Zukunft. Es braucht natürlich auch eine integrative Sozialraumarbeit und eine unterstützende politische Kultur, die nicht danach fragt, woher man kommt, sondern wo man hinwill. Und daran arbeiten wir als Ampel ganz entschlossen. Mit dem Spurwechsel geben wir Geduldeten jetzt eine echte Perspektive, dauerhaft hierzubleiben. Das gibt wirtschaftliche Unabhängigkeit und erleichtert die Integration. Unser Chancen-Aufenthaltsrecht haben schon 50 000 Menschen beantragt. Sie bekommen eine dauerhafte Perspektive. Das gibt Sicherheit und erleichtert die Integration. Mit dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht können Menschen, die schon länger hier leben oder hierherkommen wollen, sich aktiv demokratisch beteiligen und mitgestalten. Das stärkt die Teilhabe und erleichtert Integration. So wird Politik diesem modernen Einwanderungsland wirklich auch mal gerecht. Wir holen Menschen mit Migrationsgeschichte wirklich in die Mitte unserer Gesellschaft. Sie sind ein Teil von uns, egal ob als Straßenbahnfahrer, Bauingenieur oder Ärztin – und vor allem, egal woher sie kommen. Vielen Dank.