Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Gestern, 496 Tage nachdem es in der Ukraine losging, hat die Bundeswehr endlich Munition bestellt. Wir hatten die Verträge im Ausschuss. Die waren super – gut verhandelt, juristisch wasserdicht –, aber sie kamen halt viel zu spät. Der neue Minister hat im Gegensatz zu seiner Vorgängerin zumindest ein Problembewusstsein. Ende April hat er einen Erlass herausgegeben, in dem er gesagt hat: Ab nun ist die Zeit der entscheidende Faktor und vor allen anderen bundeswehrinternen Vorschriften vorzuziehen. Beschleunigung ist das Gebot der Stunde. – Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen voraussagen: Papier ist geduldig. Denn solange sich in den Köpfen nichts ändert, solange die Angst vor dem Bundesrechnungshof größer ist als die Angst vor Russland, so lange wird sich auch an der Beschaffung der Bundeswehr nichts ändern. Ich will dem Minister zwei Empfehlungen mit auf den Weg geben. Die erste ist einfach umzusetzen: Wenn er wirklich einen Mentalitätswechsel will, dann sollte er den Soldatinnen und Soldaten und den zivilen Mitarbeitern, die in seinem Sinne handeln, die schnell Entscheidungen treffen, die Verantwortung übernehmen und dabei falschliegen, konsequent förmliche Anerkennung aussprechen. Das wäre ein Signal in die Truppe, wo es oft genug darauf ankommt, dass man eben nichts falsch macht. Die zweite Empfehlung ist schwieriger umzusetzen: Er müsste sich die Struktur, die Organisation des Beschaffungswesens ansehen. Denn nicht die Mitarbeiter in Koblenz im BAAINBw sind das Problem. Sie sind hoch motiviert, und ich kenne viele, die technisch hervorragend sind, fachlich sehr kompetent. Aber sie arbeiten in Strukturen, die aus einer anderen Zeit stammen und die auch für eine andere Zeit gedacht waren. Ich war dabei, als das BAAINBw am 1. Oktober 2012 aufgestellt worden ist. Das BAAINBw ist in einer Zeit geschaffen worden, in der die Zeichen der Zeit auf Schrumpfung standen: Material wurde abgebaut, Standorte wurden geschlossen. Wir haben vorhin die 25-Millionen-Euro-Vorlagen angesprochen. Wir hatten damals, 2012, in der ganzen Legislaturperiode insgesamt 35 25-Millionen-Euro-Vorlagen im Parlament behandelt. Die Schrumpfung ging bis 2014. Dann kam die Annexion der Krim, und seitdem geht es mit der Bundeswehr bergauf. Wir haben in der letzten Legislaturperiode – um die Zahl einordnen zu können – 123 25-Millionen-Euro-Vorlagen auf den Weg gebracht. Damit war das Amt aber schon an seiner Kapazitätsgrenze, und eine Reform war dringend notwendig. Wir hatten im Jahr 2018 in unseren Koalitionsvertrag mit der SPD geschrieben, dass wir eine Reform der Beschaffungsorganisation wollen. Die SPD hat das verhindert. Die damalige Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles – ich weiß das noch ganz genau – ist Ende August 2018 ins BAAINBw gefahren und hat gesagt: Mit uns ändert sich nichts. – Großer Jubel der Gewerkschaften. Ich kann Ihnen sagen: Die SPD hat Wort gehalten. Es hat sich nichts verändert. Dummerweise hat sich nur die Welt außenrum verändert. Jetzt ist die Frage, ob sich auch die SPD verändert und endlich die notwendige Reform in der Beschaffung angeht oder ob sie sich weiterhin verweigert. Ich weiß, dass es für Sie sehr viel einfacher ist, 100 Milliarden Euro neue Schulden aufzunehmen und in die Bundeswehr zu stecken. In dem Fall ist das Geld bei der Bundeswehr gut angelegt. Aber zu glauben, mit 100 Milliarden Euro mehr arbeiten die Beamten schneller und effektiver, ist eine Illusion. Das wird nicht funktionieren. So fährt man das im Moment gegen die Wand. Meine Damen und Herren, die Probleme im Beschaffungswesen sind klar: Das Amt ist zu breit aufgestellt. Es beschafft im Moment alles, von Fahrrädern bis zur Fregatte. Es verantwortet die Beschaffung, es verantwortet die Nutzung, und es bekommt kein Projekt mehr los. Der schwere Transporthubschrauber – das wurde angesprochen – ist gestern beschafft worden. Das wird das Amt die nächsten 40, 50 Jahre beschäftigen. Deswegen ist klar: Man muss das Amt entschlacken. Es gibt da viele Möglichkeiten. Man könnte eine eigene Organisation gründen, man könnte die Nutzung rausnehmen, man könnte irgendwas tun. Aber von der SPD kommt nichts, von den Grünen kommt nichts, von der FDP kommt nichts. Es ist ja schon bitter, dass der einzige Vorschlag von uns kommt – und von der AfD. Machen Sie sich mal Gedanken! Sonst fährt die Zeitenwende mit Karacho gegen die Wand. Herzlichen Dank.