Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Weil es um ethische und nicht politische Fragen geht, wurden die vorgelegten Gesetzentwürfe im Ausschuss weder debattiert, noch wurde darüber abgestimmt. Aber dann sind es doch wieder politische Fragen; denn Sie von den Altparteien haben meine Fraktion von allen Gesprächen und Gruppen ausgeschlossen. An keinem der Gesetzentwürfe waren AfD-Abgeordnete beteiligt. Da sich die unterschiedlichen Auffassungen zur Suizidhilfe auch in der AfD-Fraktion widerspiegeln, konnten wir keine eigenen Entwürfe vorlegen, weil keine der Positionen die notwendige Anzahl unterstützender Abgeordneter erreicht. Zur Lösung der Frage, ob und wie Suizidhilfe gesetzlich zu regeln ist, hat die Ausgrenzung der AfD aber offensichtlich nicht beigetragen, wenn man die Kritik der Ärztekammern in den letzten Tagen betrachtet. Die Kritik betrifft vor allem den Vorwurf unzureichender Suizidprävention, aber mehrere Landesärztekammern kritisieren auch eine „übereilte Regelung“, und die Landesärztekammer Hessen mahnte gar „dringend“ eine „seriöse Folgenabschätzung“ an. Der Präsident der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt wörtlich: Die Bundesärztekammer droht also offen mit einem Boykott. Deutlicher kann man das Ziel einer gesellschaftlichen Befriedung wohl nicht verfehlen, wenn die wichtigste beteiligte Berufsgruppe sich derart äußert. Wie sieht es konkret aus mit den Gesetzentwürfen? Beim Gesetzentwurf der Gruppe „Castellucci“ wird deutlich, dass die Verfasser die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass der Einzelne selbst entscheiden darf, was sein Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit seiner Existenz ausmacht, nicht wirklich akzeptieren. Denn nach der Entscheidung müssten Staat und Gesellschaft die Entscheidung des Individuums als Akt autonomer Selbstbestimmung respektieren, und wenn der Gesetzgeber regulierend eingreift, muss er einen zumutbaren Weg zu einem selbstbestimmten Freitod eröffnen. Das kann ich dem Gesetzentwurf nicht entnehmen. Vielmehr wird die kassierte Strafvorschrift des § 217 StGB wiederbelebt. Mit dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben ist es aber kaum vereinbar, geschäftsmäßige Suizidhilfe generell unter Strafe zu stellen und nur unter bestimmten Voraussetzungen die Rechtswidrigkeit entfallen zu lassen. Denn ein selbstbestimmtes Sterben in Würde erfordert die Mitwirkung und Unterstützung qualifizierter Berufsträger, deren Tätigkeit praktisch immer auf Wiederholung ausgerichtet und damit zwangsläufig geschäftsmäßig ist. Für die juristischen Laien der Hinweis, dass es hier nur um die Frage einer auf Wiederholung angelegten Tätigkeit geht, nicht um die Frage, ob damit Einnahmen erzielt werden. Letzteres wird durch das Merkmal gewerbsmäßig beschrieben, nicht geschäftsmäßig. Eine solche Strafandrohung untergräbt zumindest faktisch den von der Verfassung geschützten Weg zu einem frei bestimmten Tod und ist deshalb mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erneut verfassungswidrig. Allein dieser greifbare Verdacht ist Grund genug, diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Der zusammengeführte Antrag der Gruppen „Helling-Plahr“ und „Künast“ verfolgt ein freiheitliches Konzept, das ich als Sprecher der relativ größten Gruppe innerhalb meiner Fraktion befürworte. Das Manko besteht allerdings in einem ungenügenden Schutzkonzept. Der Entwurf für ein Suizidhilfegesetz stellt auf eine Beratungslösung ab, bei der ärztliche Expertise eingeholt werden kann, aber nicht muss. Damit ist dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet und wird das Leben psychisch Kranker gefährdet. Denn ob ein Suizidwunsch frei von Willensmängeln und Beeinflussung ist, kann nur von praxiserfahrenen Ärzten, vielfach nur von Fachärzten aus dem Bereich Psychiatrie, Psychotherapie oder Neurologie beurteilt werden. Eine Regelung, die diesen Schutz nicht sicherstellen kann, wird den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls nicht gerecht. Erschwerend kommt hinzu, dass die Gewährleistung des Lebensschutzes bei der Beratungslösung zusätzlich wesentlich von der Ausgestaltung durch die Länder und vor allem dem Umfang der zur Verfügung gestellten Geldmittel abhängt. Ich kann deshalb keinem der beiden Gesetzentwürfe zustimmen. Besser, der Gesetzgeber beschließt heute keine Regulierung der Suizidhilfe als eine schlechte. Und wenn offensichtlich ein großer Teil der Ärzteschaft die Vorschläge derart vehement kritisiert, bedarf es weiterer Diskussion, die sich auch intensiver damit befassen muss, welche juristischen Regelungen überhaupt praktisch umsetzbar sind. Eine ärztliche Begutachtung zu fordern, ist nur dann sinnvoll, wenn es auch Ärzte gibt, die die Begutachtung leisten können. Zum Abschluss noch ein paar Worte zum Antrag auf Drucksache 20/7630. Die Forderung zur Suizidprävention kann man nur unterstützen, auch wenn die AfD-Abgeordneten hier genauso ausgeschlossen wurden. Aber auch hier gilt, dass ein Antrag, der erst am Vorabend der Debatte veröffentlicht wird, dem Thema nicht gerecht wird. Vielen Dank.