Tagesordnungspunkt:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Lars Castellucci, Ansgar Heveling, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Dr. Konstantin von Notz, Petra Pau, Stephan Pilsinger, Benjamin Strasser, Kathrin Vogler und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Hilfe zur Selbsttötung und zur Sicherstellung der Freiverantwortlichkeit der Entscheidung zur Selbsttötung
b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Katrin Helling-Plahr, Dr. Petra Sitte, Helge Lindh, Dr. Till Steffen, Otto Fricke und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Suizidhilfe
c) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Renate Künast, Dr. Nina Scheer, Katja Keul, Dr. Edgar Franke, Canan Bayram, Lukas Benner, Matthias Gastel, Dirk Heidenblut und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben und zur Änderung weiterer Gesetze
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Danke sehr. – Geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute abschließend über zwei Gesetzentwürfe zum begleiteten Suizid. Drei Jahre ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nun her, aber die Menschen wissen nicht, wie sie einen Zugang zu diesem assistierten Suizid erhalten können. Gleichzeitig sind Menschen möglichem Missbrauch auch schutzlos ausgeliefert. Das kann so nicht bleiben. Deswegen haben wir Regelungsbedarf. Die Menschen brauchen Rechtssicherheit, Klarheit, Schutz, und das müssen wir heute leisten.
Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass es zur Selbstbestimmung jedes Menschen gehört, auch über sein Ende entscheiden zu können. Das müssen wir achten. Gleichzeitig hat uns das Gericht mitgegeben, dass wir nicht einfach diese Selbstbestimmung voraussetzen können, sondern es hat gesagt, dass wir als Gesetzgeber – das sind die Worte des Gerichtes – dafür Sorge zu tragen haben, dass es sich bei dem Entschluss, assistierten Suizid zu begehen, wirklich um eine freie Entscheidung handelt.
Mit unserem Gesetzentwurf eröffnen wir erstmals Ärztinnen und Ärzten die Möglichkeit, ein todbringendes Mittel für einen assistierten Suizid zu verschreiben, und wir definieren ein Schutzkonzept, das diesen freien Willen der Menschen in den Mittelpunkt stellt.
Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Wer organisiert regelmäßig Suizidhilfe anbietet und sich nicht an das Schutzkonzept hält, kennt nach unserem Entwurf die Konsequenzen: Er macht sich strafbar. Denn ein Schutzkonzept, bei dem es keine Konsequenzen gibt, wenn man es verletzt, ist kein Schutzkonzept.
Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Zudem hat unsere Gruppe von Anbeginn einen Antrag zur Suizidprävention vorgelegt. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist das Wichtigste: Niemand in diesem Land soll sich überflüssig fühlen. Niemand in diesem Land soll sich gedrängt fühlen, einen assistierten Suizid zu wählen, weil andere Hilfe nicht erreichbar ist. Bin ich im Alter oder in Krankheit gut versorgt? Kann ich mir das alles noch leisten? Das sind doch Fragen, die hinter Suizidgedanken stecken. Und auf diese Fragen müssen wir sozial- und gesundheitspolitische Antworten geben – bessere sozial- und gesundheitspolitische Antworten! – und dürfen nicht einfach einen Wegweiser zum assistierten Suizid aufstellen.
Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP, der AfD und der LINKEN)
Ich bin froh, dass es gelungen ist, einen gemeinsamen Antrag zu dieser Suizidprävention vorzulegen. Ich werbe schon heute dafür, dass wir einen Weg finden, diesen hier im Parlament auch gut zu begleiten, so breit, wie wir ihn einbringen, beispielsweise in einem fraktionsübergreifenden Parlamentskreis.
Wir sollen also dafür Sorge tragen, dass der Entschluss, begleiteten Suizid zu begehen, tatsächlich auf freiem Willen beruht. Was heißt das, und wie geht das? Nun, das Gericht hat uns dazu viele Hinweise gegeben. Ich will einen nennen: Der freie Wille soll dauerhaft sein, er soll fest gefasst sein. – Aber Suizidgedanken schwanken eben meist. Selbst von denen, die Suizid begehen und noch am Leben sind, weil der Suizidversuch gescheitert ist, sagen hinterher 80, 90 Prozent, sie seien froh, dass sie es überlebt haben.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen: Was nicht geht, ist, einmal zu einer Beratungsstelle zu gehen, dort einen Beratungsschein zu bekommen und dann sofort das Rezept ausgestellt zu bekommen. So kann man die Dauerhaftigkeit von Suizidwünschen nicht feststellen.
Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Das verletzt die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes.
Der Zugang zum assistierten Suizid muss ermöglicht werden, ohne daraus ein Modell zu machen. Menschen müssen vor Einflüsterungen oder in akuten persönlichen Krisen geschützt werden und die Hilfe erhalten, die sie benötigen. Lassen Sie uns das Geld, das jetzt für Suizidberatungsstellen vorgesehen ist, in die Suizidprävention investieren!
Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN und der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Es ist unsere Aufgabe: Wir streiten heute über Paragrafen. Aber die Wirklichkeit werden wir mit diesen Paragrafen kaum erfassen können. Ich mache mir deshalb Sorgen. Ich mache mir Sorgen um die Einsamen, um die Zurückgelassenen, um die, die denken, sie fallen nur noch anderen zur Last, um die, die sich fragen: Ist mein Leben noch etwas wert? Liebe Kolleginnen und Kollegen, solche Fragen müssen Menschen mit sich selbst ausmachen. Aber wir als Gesellschaft sollten ihnen zurufen: Ja, dein Leben ist etwas wert. Jedes Leben in diesem Land ist wertvoll.
Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP, der AfD und der LINKEN)
Deshalb: Lassen Sie uns den begleiteten Suizid ermöglichen, aber nicht fördern!
Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Thomas Seitz.
Beifall bei der AfD)