Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wenn ich hier nach oben schaue, dann bin ich froh, dass sehr viele junge Zuhörerinnen und Zuhörer da sind; denn ich denke, es geht heute um ein sehr wichtiges Thema. Ich muss gestehen: Ich fühlte mich etwas zurückversetzt in meine Unizeit, als wir ganz am Anfang des Studiums ein Seminar über Wissenschaftstheorie belegen mussten. Ich habe heute Nacht wirklich über diesen Antrag nachgedacht und habe dann gedacht: Nein, fünf Minuten reichen nicht aus, um hier der Fraktion, die diesen Antrag gestellt hat, etwas über Wissenschaftstheorie und ‑methodik zu verdeutlichen. Meine Damen und Herren, es geht um Wissenschaftsfreiheit. Wissenschaftsfreiheit ist ein absolutes Kernelement unserer Demokratie. Unsere Verfassungsmütter und ‑väter haben nicht umsonst dieses Recht in die Verfassung aufgenommen. – Es geht aber nicht nur um die Frage, ob Sie das bezweifeln, sondern Sie müssen sich auch an Ihren Taten messen lassen. Als ich diesen Antrag gelesen habe, dachte ich am Anfang: „Ups, was kommt denn da?“, und dann habe ich mich richtig aufgeregt. Ich habe mich richtig aufgeregt, weil das Bild der Wissenschaft, das Sie in diesem Antrag vermitteln, ein Bild des Misstrauens gegenüber Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist. Sie unterstellen dem Wissenschaftssystem, dass es nicht in der Lage ist, seine eigenen Qualitätskriterien umzusetzen. Ich bin relativ sicher: Die wenigsten von Ihnen – wenn überhaupt irgendjemand – haben mal an einem Akkreditierungsverfahren, einem Evaluationsverfahren teilgenommen. In Berufungsverfahren wird die wissenschaftliche Qualität der Kandidatinnen und Kandidaten kontrolliert und geprüft. Und es ist nicht so, dass immer nur Vertreterinnen und Vertreter von der Wissenschaft und dem kleinen Forschungsgebiet, um das es letztendlich geht, in der Kommission vertreten sind, sondern die Kommissionen sind breit gefächert. Es geht nämlich darum, dass man dort ein breites Bild bekommt, die Diversität der verschiedenen Meinungen und der verschiedenen Ansätzen abbildet. Was Sie hier mit diesem Antrag tun, ist, dies infrage zu stellen. Und das ist etwas, was die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler draußen sicher nicht goutieren werden; das kann ich Ihnen sagen. Und was machen Sie mit der Sprache in Ihrem Antrag? Es ist ein pures Framing: das Verwenden von Anführungszeichen, das Verwenden von Begriffen, die in der Wissenschaft eben nicht gang und gäbe sind und in der Regel nicht verwendet werden. Auch ein Blick auf das, was als Literatur angegeben ist, hilft vielleicht, um sich mal Gedanken über die Qualität und die Rechtfertigung dieses Antrages zu machen. Die Frage, die ich mir gestellt habe, als ich mir den Antrag dann heute Morgen noch mal angeschaut habe – vor dem Kaffee, weil es danach wahrscheinlich nicht möglich gewesen wäre –, war: Was wollen Sie eigentlich mit diesem Antrag? Ist es wirklich so, dass Sie Furcht vor den Fragestellungen haben? Vielleicht sollten Sie sich mal Folgendes überlegen: Es gibt eine Motivation, Wissenschaft zu betreiben. Und ja, die Motivation vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit den von Ihnen angeführten Gebieten auseinandersetzen, ist, mehr zu erfahren über das, was passiert ist. Ich empfehle Ihnen das Buch „Diese Wahrheiten: Eine Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika“. Da wird es sehr deutlich: Es geht darum, zu verstehen, was passiert ist. Und wenn eben rauskommt, dass manche Dinge ungerecht waren, unfair waren, Missbrauch von Macht waren, dann ist es auch die Aufgabe der Wissenschaft, das zu benennen. Und mein Eindruck ist, dass Sie womöglich Angst haben vor den Fragen, die da gestellt werden, weil dadurch unter Umständen ein Weltbild, das Sie vor sich hertragen, infrage gestellt wird. Deswegen, meine Damen und Herren, lassen Sie uns, wenn dieser Antrag in den Ausschuss kommt – er wird ja an unseren Bildungs- und Forschungsausschuss überwiesen –, darüber diskutieren. Dann haben wir auch noch ein bisschen mehr Zeit, um vielleicht über Methodik zu reden. Ich freue mich auf diese Diskussion. Meine Damen und Herren, zum Schluss. Wissenschaftsfreiheit ist die Grundlage von Demokratie, Freiheit und Fortschritt und nicht von einem Weltbild, das vielleicht schon vor 300 Jahren gegolten hat. Danke schön.