Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Wenn die AfD einen Antrag zu Pseudowissenschaften ankündigt, werde ich aufmerksam: Wendet man sich jetzt gegen die eigenen Reihen, die pseudowissenschaftlich die Klimakrise leugnen? Leider nein. Es geht in diesem Antrag nicht um Pseudowissenschaften; der AfD geht es auch nicht um irgendwelche Studienfächer. Sie wissen doch selbst ganz genau: Forschende an Hochschulen genießen die Freiheit, ihre Fragestellungen selbst zu wählen, passende Methoden zu suchen und ihre Ergebnisse zu interpretieren. Es ist also vollkommen offensichtlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass es bei diesem Antrag um etwas anderes geht. Dieser Antrag wirft ein Schlaglicht auf eine rechte Kampagne. Weltweit mobilisieren gerade rechte Politiker/-innen gegen Gender Studies, gegen Queerness, Feminismus, Transgeschlechtlichkeit – nicht nur, weil sie Queerfeinde sind. Es ist Teil einer Strategie. Mit Queerfeindlichkeit gelingt es der extremen Rechten, Bündnisse zu schmieden, die sonst vielleicht nicht möglich gewesen wären. Evangelikale, DeSantis, rechtsextreme Hooligan-Gruppen, Orban, die Nachbarinnen und Nachbarn von nebenan, Aiwanger – sie alle sind Teil dieser menschenverachtenden Allianz oder lassen sich zumindest vor den Karren spannen. Durch fehlende Berührungsängste und strategisches Geschick der Rechten werden Hass und Hetze nicht nur zu einem verbindenden Element, sondern zum Selbstläufer. Parteien wie die CSU und die Freien Wähler wollen gerade Stimmen zurückgewinnen. Doch anstatt demokratische Gegennarrative zu entwickeln, plappern sie rechte Erzählungen nach; sie helfen mit, den Diskurs immer weiter nach rechts zu verschieben. Deshalb noch einmal hier der Appell, den gerade Sozialwissenschaftler/-innen rauf- und runterbeten: Die Lage der Demokratie ist ernst. Wir brauchen klare Kante, Abgrenzung gegen rechts – jetzt! Es gibt noch einen weiteren Grund für das übertriebene Interesse der AfD am Thema „Gender Studies und Queerness“: die antisemitische, antidemokratische Verschwörungsideologie von der sogenannten neuen Weltordnung, die viele Rechte glauben. In dieser Verschwörungsideologie vereinen sich viele Kernthemen der AfD. Sie nennen sie „Klimahysterie“, „Umvolkung“, raunen von „Coronaplandemie“. Aber auch die angebliche Genderideologie wird immer wieder beschworen. Wer an die Erzählung der neuen Weltordnung glaubt, denkt, dass das alles Werkzeuge von fiktiven globalen Eliten seien, um die Menschen zu schwächen. Dieses Narrativ erinnert nicht nur zufällig an die antisemitische Erzählung der Nazis von der jüdischen Weltverschwörung. Wenn Sie sich jetzt fragen, wer diesen Unsinn, den ich gerade erzählt habe, verbreitet, dann schauen Sie sich den neuen AfD-Landrat von Sonneberg an, oder schauen Sie in die Telegram-Kanäle der AfD-MdB. Und das ist leider alles andere als lustig, sondern schäbig, geschichtsvergessen und brandgefährlich. Laut Bundesinnenministerium hat die Gewalt gegen queere Menschen im letzten Jahr um mehr als 15 Prozent zugenommen. Letztes Jahr wurde der Transmann Malte beim CSD in Münster totgeprügelt. Dieses Jahr gab es bei CSDs in Wiesbaden, Hannover, Reutlingen, Saarbrücken, München und Osnabrück angezeigte gewalttätige Angriffe. Im letzten Jahr registrierte die Meldestelle für Antisemitismus, RIAS, die höchste Anzahl an potenziell tödlichen antisemitischen Angriffen seit Beginn ihrer Arbeit. Von Rassismus Betroffene, Geflüchtete, Menschen mit Behinderung, Frauen, queere Menschen, Jüdinnen und Juden – für sie alle verschärft sich die eh schon sehr prekäre Sicherheitslage. Noch können wir das Ruder herumreißen; aber das erfordert von uns zuallererst, dass wir die Situation anerkennen. Was gerade in dieser Gesellschaft passiert, ist außergewöhnlich. Wir befinden uns in einem Abwärtsstrudel. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit; sie ist eine Errungenschaft, und sie muss verteidigt werden. Dieser Antrag ist ein antidemokratischer, weil er das Grundrecht der Forschungsfreiheit angreift, weil er an antisemitische Verschwörungsideologien anschließt, weil er Teilen unserer Gesellschaft Rechte abspricht. Wir verteidigen die Demokratie, indem wir uns nicht nur diesem entlarvenden Antrag entgegenstellen, sondern die AfD und ihre Ideologie im Ganzen bekämpfen. Vielen Dank.