Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher, schön, dass Sie da sind! Ich befürchte nur, Sie werden Zeugen einer Pseudodebatte, wie wir sie hier im Haus leider öfter erleben, wenn Anträge von der AfD kommen. Dieser Antrag, den wir jetzt hier vorliegen haben, der kam gestern Abend rein. Bis dahin kannten wir nur den Titel. Der hieß damals – damals? gestern Abend! – noch: „Umgehend eine Evaluation der Pseudowissenschaften mit ideologischer Agenda durch den Wissenschaftsrat beantragen“. Das „Pseudo“ hat die AfD mittlerweile rausgestrichen. Aber im Antrag unterstellt sie bestimmten Forschungsrichtungen, nicht echt zu sein, falsch zu sein, Pseudowissenschaft zu betreiben. Die Quellen dazu sind peinlich, einfach nur peinlich. Was sind denn Pseudowissenschaften? Früher ging es da um Ufos; heute geht es vielleicht um Chips, die uns heimlich eingepflanzt werden. Es geht um abseitige Denksysteme, auch Verschwörungstheorien, oft seriös daherkommend und wissenschaftlich verkleidet. Manche davon sind aus heutiger Sicht bloß abstrus, vielleicht auch faszinierend, andere aber, ehrlich gesagt, auch gefährlich – nicht nur, weil es Leute gibt, die mit Ängsten von Menschen ein Geschäft machen, indem sie uns Krempel verkaufen, dem sie wundersame Dinge zuschreiben. Pseudowissenschaft ist dann gefährlich, wenn sich verzweifelte, schwerkranke Menschen zum Beispiel auf Heilsversprechen einlassen und statt auf Therapien mit wissenschaftlich erwiesenem Nutzen zum Beispiel auf Raumsprays mit magischer Essenz setzen. Diese Pseudowissenschaften stellt die AfD jetzt durch ihren Antrag in eine Reihe mit seriöser Forschung, etwa zu Fragen sozialer Ungleichheit aus Geschlechterperspektive, etwa zu der Frage „Wie müssen Transformationsprozesse gestaltet werden, wie sie zum Beispiel gerade bei mir in der Lausitz stattfinden, um die Region sowohl für Männer als auch für Frauen attraktiv zu machen?“. Und Sie diskreditieren dabei mal eben ganz pauschal Forschungsdisziplinen und praktisch alle Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaftler/-innen, denen Sie wissenschaftliches Arbeiten absprechen. Das ist nicht nur bar jeden Anstandes, das ist auch wahnsinnig respektlos. Darum möchte ich an dieser Stelle diesen Forscherinnen und Forschern für den Beitrag danken, den sie für die Zukunft unserer Kinder leisten. Wie unterscheidet man denn jetzt Wissenschaft von Pseudowissenschaft? Das vielleicht Naheliegendste ist, dass sich die Wissenschaft immer wieder selbst hinterfragt und dass Wissenschaft mit objektiven Methoden ergebnisoffen arbeitet. Und das machen diese Wissenschaften, die Sie da so auf dem Kieker haben. Was Ihnen an dieser Wissenschaft nämlich eigentlich nicht passt, ist der Forschungsgegenstand. Und weil Ihnen der Forschungsgegenstand nicht gefällt, behaupten Sie hier auf mehreren Seiten Papier absurdes Zeug, das Sie übrigens auch nicht belegen. Wie absurd das Zeug ist, das Sie hier aufschreiben, erkennt man daran, dass Sie einerseits eine Evaluation durch den Wissenschaftsrat fordern – die ja gerade auch passiert, wie Sie wissen –, andererseits aber behaupten, dass der Wissenschaftsrat das gar nicht wissenschaftlich evaluieren kann. Um Inhalte geht es hier also nicht. Es ist die für die AfD typische Strategie, die Wissenschaft nach politischem Willen einzuschränken. Das haben wir vor der AfD schon bei anderen gesehen, und es wird auch aktuell gemacht. Wissenschaftsfreiheit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Existenz einer pluralistisch-demokratischen Gesellschaft. Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes haben aus den Erfahrungen der Verfolgung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und aus der Gleichschaltung der Hochschulen gelernt und deshalb die Wissenschaftsfreiheit ins Grundgesetz geschrieben. Und wir müssen die Wissenschaftsfreiheit verteidigen. Unsere Demokratie hat solche schlechten Anträge und solche Pseudodebatten nicht verdient. Sie, liebe Besucherinnen und Besucher, haben es bei Ihrer nächsten Wahlentscheidung in der Hand. Vielen Dank.