Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wenn die Koalition heute den Antrag der Union auf Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses ablehnen wird, dann ist das sicherlich keine Kleinigkeit. Das ist eine schwerwiegende Entscheidung, die auch wir nicht auf die leichte Schulter nehmen. Das Recht der Opposition, mit qualifizierter Minderheit einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, ist ein wichtiges Minderheitenrecht; es entspringt aus der Aufgabe des Parlamentes, die Regierung zu kontrollieren. Diese Funktion ist gewiss ein elementarer Bestandteil unserer Demokratie. Aber es gibt noch andere elementare Bestandteile unserer Demokratie. Dazu gehört der Föderalismus. Dazu gehört, dass unser Grundgesetz den Ländern und dem Bund unterschiedliche Aufgaben zuweist. Es gibt Aufgabenzuweisungen an die Länder, die Landesregierungen, die Landesbehörden, und es gibt Aufgabenzuweisungen an den Bund, die Bundesregierung, die Bundesbehörden. Der Kontrollraum, der den Parlamenten zugewiesen ist, folgt den Aufgabenzuweisungen an Regierungen und Behörden. Landtage kontrollieren demgemäß Landesregierungen und Landesbehörden, der Bundestag kontrolliert die Bundesregierung und Bundesbehörden. Der Bundestag ist nicht ein Oberparlament, und der Bundestag steht vor allem nicht außerhalb der Verfassung. Das ist Grundbestandteil des Rechtsstaates, des Verfassungsstaates. Nicht einmal wir selbst als Gesetzgeber können diesen Raum verlassen und uns über diese Aufgabenzuweisungen des Grundgesetzes stellen. Wir können diesen Raum nicht verlassen. Wir müssen ihn beachten, umso mehr, wenn es um ein solch gravierendes Instrument wie einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss geht, der mit den Mitteln der Strafprozessordnung arbeitet, der Zeugen vorladen und sogar vorführen lassen kann, der Dokumente sich vorlegen lassen und sogar beschlagnahmen kann. All das kann man nicht außerhalb der rechtsstaatlichen Ordnung und der Verfassung tun nur mit der Begründung: Na ja, es interessiert uns halt. Nun ist der Punkt, dass von den 19 Punkten Ihres Antrages jedenfalls 14 allein das Verhalten der Landesbehörden und der Landesregierung der Freien und Hansestadt Hamburg zum Gegenstand haben. Das ist das Problem. Ja, gerne, Kollege Ullrich. Herr Kollege Dr. Ullrich, genau auf diesen Punkt haben übrigens ich persönlich und wir als Koalition Sie in den Berichterstatterrunden hingewiesen. Sie hätten nämlich sagen können – das habe ich zu Nummer II Ihres Antrages als Beispiel angeführt –: Wir beschließen als Untersuchungsauftrag, ob die Bundesregierung – damit habe ich die Verbindung zum NSU- und zum Breitscheidplatz-Untersuchungsausschuss hergestellt, die Sie angesprochen haben –, ihrer Pflicht nachgekommen ist, Aufsicht über die Länderfinanzverwaltung auszuüben. Wenn man den Antrag so formuliert hätte, dann wäre der Antrag des Bundestages an die Bundesregierung adressiert gewesen. Dann hätten Sie übrigens auch genau das gleiche Ziel erreichen können. Denn wenn man den Untersuchungsauftrag so formuliert hätte, ob die Bundesregierung ihrer Kontrollpflicht gegenüber den Länderfinanzverwaltungen hinsichtlich eines bestimmten Fehlverhaltens, das Sie behaupten, nachgekommen ist, dann wäre dieses Fehlverhalten implizit mit geprüft worden. Sie wären zum gleichen Ergebnis gelangt und hätten den Antrag verfassungsgemäß formuliert. Das wäre möglich gewesen; das haben Sie aber nicht getan. Ihre Zwischenfrage gibt mir aber Gelegenheit, die Frage zu stellen: Warum eigentlich nicht? Warum ist die Union diesem Vorschlag, den wir unterbreitet haben und den ich persönlich gemacht habe, den Antrag auf diese Weise verfassungsgemäß umzumodellieren, nicht nachgekommen? Jetzt kann ich ja nur spekulieren und annehmen, warum das vielleicht nicht der Fall gewesen ist: weil die damalige Bundesregierung, die diesen Prüf- und Kontrollauftrag gehabt hätte, von der Union geführt worden ist und demgemäß eine Bundeskanzlerin der Union, ein Bundesfinanzminister der Union in den Fokus dieser Prüfung geraten wären. Das wollten Sie wahrscheinlich vermeiden. Das ist vielleicht der Grund, weshalb Sie den Hinweisen von uns, die keineswegs vage gewesen sind, Kollege Schnieder, die sehr konkret waren, nicht gefolgt sind. – Ich muss Ihnen ja nicht jeden einzelnen Punkt umformulieren. – Das kann meines Erachtens nur diesen Grund haben. Wir haben wahrlich gründlich geprüft, ob es Möglichkeiten gibt, diesen Antrag zu beschließen und den PUA einzusetzen, vielleicht auch im Weg einer Teilabstimmung, einer, sagen wir jetzt mal, Reduktion, nur diejenigen Teile zu beschließen, die verfassungsgemäß sind. Dazu haben uns aber die Sachverständigen in der Anhörung deutlich gesagt: Das geht nicht, weil eine solche Reduzierung, eine solche Teilabstimmung des Antrags, eben eine Änderung des Antrages ist. Ein Antrag, der nur einen Teil Ihres Antrags umfasst, ist ein anderer Antrag. Was wir als Mehrheit nicht tun können, ist, Ihren Antrag umzuformen, Ihnen sozusagen einen geänderten, gekürzten, damit anderen Antrag sozusagen in den Rachen zu stopfen und Sie zu zwingen, diesen herunterzuschlucken. Das geht nicht. Deswegen gibt es nur eine Möglichkeit – hier heißt es „Alles oder nichts, ganz oder gar nicht“ –: Da Ihr Antrag verfassungswidrige Teile enthält, können wir als Bundestag nicht sehenden Auges einen Antrag beschließen, der nicht auf dem Boden der Verfassung steht. Deswegen müssen wir diesen Antrag heute ablehnen, weil wir ansonsten einen Antrag beschließen würden, der nicht verfassungsgemäß ist. Vielen Dank.