Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Steuern sollten gerecht sein; da stimmen Sie mir doch sicherlich alle zu. Der Staat nimmt mit seiner Steuerpolitik Einfluss auf die Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland. Die Frage, wer wie viel Steuern zahlt, ist also eine unmittelbare Verteilungsfrage, und das ist sie immer. Die Frage einer gerechten Verteilung stellt sich dabei gerade in Krisenzeiten umso mehr. Deshalb bin ich dankbar dafür, dass wir heute über das Thema Erbschaftsteuer reden; denn der Umgang mit Vermögen wird aus meiner Sicht zu selten thematisiert. Denn wenn wir über Steuergerechtigkeit diskutieren, dann meistens in Bezug auf das Einkommen. Die Verteilung von Vermögen erhält weniger Aufmerksamkeit, und gerade dort ist die Verteilung deutlich ungleicher. Warum? Mehr als die Hälfte aller Vermögen in Deutschland wurden nicht selbst erwirtschaftet, sondern vererbt. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich unsere Gesellschaft immer mehr dahin entwickelt, dass nicht die eigene Leistung den Wohlstand bestimmt, sondern der Zufall, in welche Familie man hineingeboren wurde. Fast 70 Prozent aller Erbschaften gehen an die 20 Prozent der Menschen mit den höchsten Vermögen. Erbschaften über 20 Millionen Euro werden durchschnittlich mit noch nicht einmal 3 Prozent belastet. Das ist bei kleineren Erbschaften anders, und das ist in der Tat absurd. Meine Damen und Herren, die aktuellen Regelungen sehen Freibeträge vor, die auch für Schenkungen gelten. Bei einem Elternpaar mit zwei Kindern ergeben diese Freibeträge insgesamt 1,6 Millionen Euro. Das ist wichtig zu wissen; denn wer über ein beachtliches Vermögen verfügt, also noch weit darüber hinaus, macht sich häufig bereits sehr früh Gedanken über die Weitergabe an spätere Erben, dann nämlich in Form einer Schenkung. Dort gibt es noch ein wichtiges Detail; denn diese Freibeträge gelten alle zehn Jahre erneut. Also, alle zehn Jahre können in meinem Beispiel 1,6 Millionen Euro als Schenkung weitergegeben werden. Wer profitiert also von unseren Regelungen und vor allem von der Forderung bestimmter Parteien auf höhere Freibeträge? Richtig: Superreiche. Und auch bei dieser Personengruppe tut sich etwas; denn es gibt dort durchaus Forderungen nach Änderungen, und auch unter ihnen gibt es diejenigen, die gerne einen höheren Beitrag für unsere Gesellschaft leisten wollen. Am Ende zahlen alle Steuerzahlenden für die Privilegien und Ausnahmen der Superreichen mit – die Kassiererin, der Mechatroniker, die Pflegekraft, die alleinerziehende Verwaltungsmitarbeiterin –, entweder durch eine fehlende Infrastruktur oder durch höhere Steuern. Meine Damen und Herren, die Erbschaftsteuer ist reformbedürftig. Selbst internationale Wirtschaftsorganisationen wie die OECD raten Deutschland auch für eine bessere wirtschaftliche Entwicklung zu einer Erbschaftsteuer, die auf die Übertragung besonders hoher Vermögen abzielt. Die Frage von Steuergerechtigkeit ist ein schwieriges Thema und häufig emotional aufgeladen; das haben wir jetzt hier auch schon gehört. Gerade deshalb ist eine sachliche Betrachtung wichtig. Darum beschäftigt sich in meiner Partei, der SPD, auch eine Kommission damit. Bis Dezember wird diese Kommission ein neues Steuerkonzept entwickeln. Ich bin auf die Ergebnisse sehr gespannt. Wir werden jedenfalls nicht müde, uns für einen gerechten und zukunftsfähigen Staat einzusetzen, für ihn zu werben und Mehrheiten zu suchen. Vielen Dank.