Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir haben es heute schon öfter gehört: Es ist mal wieder so weit. Die AfD beehrt uns mit einem Antrag, der vor Populismus nur so strotzt. Heute steht mal wieder die Genderdebatte auf der Tagesordnung der Berufsempörer. Schade, man stelle sich vor, wir könnten diese Zeit auch mit wirklich Sinnvollem nutzen. Nur weil Sie, sehr geehrte Damen und Herren der AfD-Fraktion, anscheinend total allergisch auf das Wort „Gendern“ reagieren, bekommen wir hier abgeschriebene Anträge serviert. Das nenne ich echt einfallsreich. Es scheint, als wäre es für Sie lebensnotwendig, dass wir heute über Gendern im Bundestag und in den Behörden diskutieren. Dafür schreiben Sie die Anträge anderer Fraktionen aus den Landesparlamenten ab, obwohl wir es in diesen Zeiten auch mit sicherheitspolitischen und wirtschaftspolitischen Herausforderungen zu tun haben. Fällt Ihnen denn eigentlich nichts Wichtigeres ein? Der wenige Aufwand, den Sie in diesen Antrag gesteckt haben, offenbart nur, dass es Ihnen nicht um die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land geht, sondern nur um billiges populistisches Gekreische, darum, Aufmerksamkeit für solche Pseudodebatten zu bekommen. Für fundamentale Probleme und Nöte der Bürgerinnen und Bürger haben Sie überhaupt keine Lösung parat. Aber sei’s drum. Verschwenden wir also unsere Zeit mit diesen populistischen Anträgen! Ja, ich bin persönlich kein Freund vom Gendern, aber um Friedrich II. – mit Erlaubnis der Präsidentin – zu zitieren: „Jeder soll nach seiner Fasson selig werden.“ Wer gendern will, soll gendern, wer nicht gendern will, muss nicht gendern. Jeder sollte dem Gegenüber einfach etwas mehr Toleranz walten lassen. Wir leben in einem freien Land. Ich weiß schon, dass das für Sie unerträglich ist; denn Sie propagieren, dass wir hierzulande eine Diktatur hätten. Aber genug davon. Wenden wir uns endlich den tatsächlichen Problemen hierzulande zu! Ich möchte meine weitere Redezeit nicht mit dem Thema Gendern vertun, sondern über echte Chancenverwirklichung in unserem Land sprechen. Woran mangelt es denn in unserem Land bei der Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen? Warum sind wir noch nicht so weit, wie wir sein könnten? Als junge berufstätige Mutter sage ich Ihnen: Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist essenziell. Nicht selten müssen Frauen noch immer ihre Arbeitszeit reduzieren, weil es eben kein ausreichendes Angebot an Kinderbetreuung gibt, weder in der Kita noch in der Ganztagsbetreuung. Aber genau das ist die Aufgabe des Staates. Gehen wir also den Fachkräftemangel an! Bauen wir die Ausbildungskapazitäten aus! Vereinheitlichen wir die Ausbildungsstrukturen, und schaffen wir anschlussfähige berufliche Optionen! Gehen wir weiter zu einer meiner Herzensangelegenheiten – für Leni ist es das auch –: Das sind der freiwillige, gestaffelte Mutterschutz nach Tot- und Fehlgeburten und der flexible Mutterschutz für Selbstständige. Selbstständige und ihre Familien sind keine Familien zweiter Klasse. Ihnen muss genauso der Zugang zum Mutterschutz gewährleistet werden, wie das für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land gilt. Deshalb braucht es entsprechende Lösungen, und genau das erarbeitet die Ampel in diesen Tagen. Aber auch, wenn es um Mutterschutz für Frauen und Familien geht, die von stillen Geburten betroffen sind, soll es neue Lösungen geben. Es ist eine echte Belastung, eine stille Geburt zu erleben, traumatisiert zu sein und nicht den entsprechenden Mutterschutz zu bekommen. Was in unserem Land auch traumatisierend ist, ist die Gewalt gegen Frauen. Geschlechterspezifische Gewalt ist durch nichts zu rechtfertigen. Es ist erschreckend, wie viele Menschen Belästigung, Gewalt gegen Frauen für akzeptabel halten, wie kürzlich eine Umfrage zeigte. Deshalb ist es großartig, dass unser Bundesjustizminister den Vorstoß gewagt hat und wir morgen in der Debatte über die Verschärfung von § 46 Absatz 2 Strafgesetzbuch diskutieren werden. Denn geschlechterspezifische Gewalt muss als solche benannt und entsprechend hart bestraft werden. Aber jetzt noch mal zu Ihnen, sehr geehrte Kollegen der AfD-Fraktion. Bitte ersparen Sie uns in Zukunft solche Anträge, und lassen Sie uns die Zeit lieber besser für echte Chancenverwirklichungen von Männern und Frauen nutzen und an den Themen, die ich vorgeschlagen habe, arbeiten! Glauben Sie mir eines: Die Menschen in unserem Land sind mündig genug. Sie können selbst entscheiden, wie sie sprechen oder schreiben wollen. Das darf weder zu Vorteilen noch zu Nachteilen führen. Dafür braucht es sicherlich keine Legislative. Vielen Dank.