Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren hier zum europäischen Vorschlag über die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur. Diese Verordnung ist ein Bestandteil des European Green Deal und der EU-Biodiversitätsstrategie 2030. Bei Naturschutz und Biodiversität beginnen gerade wir in Deutschland nicht bei null, sondern haben zum Beispiel mit Nationalparken und „Zukunft Stadtgrün“ sehr viel erreicht. Als Koalition sind wir auf nationaler Ebene ambitioniert dabei, zum Beispiel mit dem Aktionsplan Natürlicher Klimaschutz oder der Moorschutzstrategie der Bundesregierung. International haben wir uns mit der Einigung bei der Weltnaturschutzkonferenz in Montreal weitere anspruchsvolle Verpflichtungen auferlegt. Viele Themen der Verordnung adressieren wir hiermit bereits und leisten daher Beträchtliches für den Naturschutz. An dieser europäischen Verordnung gibt es aber viel und auch berechtigte Kritik. Die knappe Abstimmung und die darauffolgende Verschiebung im Europäischen Parlament gestern zeigten eindrücklich, wie schwer sich die Europaabgeordneten damit tun, sich auf diese Verordnung zu einigen; denn die Abwägung zwischen ambitionierterem und notwendigem Naturschutz auf der einen Seite und ausreichender Lebensmittelproduktion, dem Ausbau von Infrastruktur, biologischer Landwirtschaft und ausreichender Ressourcenerzeugung vor Ort auf der anderen Seite ist mit diesem Entwurf schwer in Einklang zu bringen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, während wir alle Naturschutz betreiben und Gebiete schützen wollen, befinden wir uns in schwierigen Zeiten. In einer Welt mit über 8 Milliarden Menschen müssen wir deren Ernährung sicherstellen. Eine ausreichende Lebensmittelversorgung aller Menschen ist ein ebenso zentraler Punkt in der Abwägung. Der laufende Ukrainekrieg sorgt für besonders erschwerte Bedingungen und offenbart uns die Verletzlichkeit der aktuellen Lebensmittelversorgung weltweit. Wichtig ist, beide Perspektiven gleichermaßen zu berücksichtigen und die Landwirtschaft nicht zu überfordern. Pauschale Flächenvorgaben, die bis zu 10 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen stilllegen könnten, sind problematisch. Die Wiedervernässung von Mooren muss, wie in unserer Nationalen Moorschutzstrategie festgelegt, auf freiwilliger Basis erfolgen. Auch der Ausbau der erneuerbaren Energien, der Ausbau unserer Infrastruktur und die Schaffung neuen Wohnraums sind zentrale Punkte; denn auch die sozioökonomischen Folgen müssen berücksichtigt werden. Die Kritik und die Änderungsvorschläge im Europäischen Parlament und der Vermittlungsvorschlag der Ratspräsidentschaft, der die Einwände der Mitgliedstaaten aufgreift, verdeutlichen die Kontroverse eindrücklich. Das Ringen um die Beantwortung dieser Sachfragen, die einschneidende Folgen für unsere Gesellschaft und die Natur haben, ist Demokratie. Nicht demokratisch ist es hingegen, wenn EU-Kommissar Timmermans damit droht, ein mögliches Scheitern der Verordnung zum Anlass zu nehmen, andere wichtige EU-Initiativen gar nicht erst in den Gesetzgebungsprozess zu geben, und damit versucht, EU-Abgeordnete unter Druck zu setzen, konkret zum Beispiel beim geplanten neuen EU-Rechtsrahmen zu neuen genomischen Techniken bzw. Züchtungsmethoden. Für mich ist es bedenklich, dass ein so wichtiges Thema nicht mit Argumenten, sondern mit Machtdemonstrationen verbunden wird. Da hätten Sie, liebe Union, aktiv werden können, damit Ihre Kommissionspräsidentin von der Leyen den Kommissar und zeitgleich auch ihren Vize in ihre Schranken weist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Vorlage der EU-Kommission ist – Stand heute – offensichtlich nicht zustimmungsfähig. Auch unsere liberalen Parlamentarier in Brüssel haben damit noch erhebliche Probleme. Eine Zustimmung erfordert deutlichen Änderungsbedarf. Es gibt im Verfahren noch zahlreiche offene Änderungsanträge, und am Ende muss eine zustimmungsfähige und gute Verordnung stehen. Die Bundesregierung wird hier konstruktiv an einer vernünftigen Lösung mitarbeiten, um diesen schwierigen Entwurf anzupassen. Vielen Dank.