Deshalb bin ich entsetzt über die Debatte, die die EVP-Fraktion, Ihre Schwesterfraktion, gerade im Europäischen Parlament dazu führt. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Mack, Sie kennen diese Worte vielleicht. Das ist Ihr Statement, was Sie im Vorfeld der Konferenz in Montreal im Dezember 2022 abgegeben haben. Sie sprechen von verbindlichen, ambitionierten Zielen, die in den Staaten umgesetzt werden müssen. Und damit haben Sie recht. Damit haben Sie absolut recht! Und es ist toll, dass wir in Montreal bei den Verhandlungen, die die EU auch mithilfe Deutschlands vorangebracht hat, ein wirklich gutes Ergebnis erzielt haben, das die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – im Übrigen eine Christdemokratin – als „historisch“ bezeichnet hat. Wir waren ja beide vor Ort. Sie erinnern sich: Die Verhandlungen waren sehr schwierig, und ein Knackpunkt in den Verhandlungen war die Glaubwürdigkeit der EU und der westlichen Industriestaaten in dieser Frage. Die schwierigen Verhandlungen konnten zu einem Abschluss gebracht werden, weil wir als Westen eben nicht nur finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt haben, sondern auch glaubwürdig versichern konnten, dass wir selbst ambitionierte Ziele haben, die wir umsetzen. Eines dieser ambitionierten Ziele ist die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur als Teil des European Green Deals. Das ist ein zentraler Bestandteil der Verpflichtungen, die wir als EU in Montreal eingegangen sind. Ein Scheitern an dieser Stelle bedeutet auch einen großen Schaden für unsere internationale Glaubwürdigkeit, und zwar weit über globale Naturschutzabkommen hinaus. Dass die EVP jetzt, ein Jahr vor der Europawahl, den breiten Konsens für eine ambitionierte Klima- und Naturschutzpolitik in Europa aufkündigt, ist beunruhigend. Und noch beunruhigender ist es – das hat mein Kollege Jan-Niclas Gesenhues gerade gesagt –, dass sie sich dabei offenbar nicht davor scheut, mit den Populisten und Extremisten von der ganz rechten Seite zusammenzuarbeiten. So ist es. Ob die Entscheidung der EVP jetzt eine Entscheidung im Wahlkampfgetöse, aufgrund von EVP-internen Machtkonflikten oder tatsächlicher ideologischer Übereinstimmung ist, das kann ich nicht beurteilen. Es ist aber am Ende auch egal; denn Fakt ist doch, dass dringender Handlungsbedarf besteht. In der EU sind nur rund 15 Prozent der Lebensräume und 27 Prozent der geschützten Arten in einem gesunden Zustand. Die falsche Erzählung über angebliche Enteignungen, von denen Sie hier wieder gesprochen haben, und über die angebliche Brachlegung von landwirtschaftlichen Flächen ist vom gerade diskutierten Kommissionsentwurf doch gar nicht gedeckt. Es geht darin nicht um ein Nutzungsverbot, es geht um eine Nutzungsänderung. Der Vorschlag ist ausgewogen, und er sieht einen Einklang zwischen nachhaltiger Bewirtschaftung und dem Wohl der Natur und der Menschen vor. Was ist denn jetzt so erschreckend an einem naturbelassenen Fluss, an Auen, die als Biodiversitätshotspots für Vögel und Insekten, aber auch als Hochwasserschutzräume zum Klima- und Naturschutz beitragen und Erholungsräume für nachhaltigen Tourismus bieten? Die Wiederherstellung zerstörter Ökosysteme ist eigentlich eine dankbare Maßnahme; denn wir sehen alle Erfolge, die dadurch erzielt werden, schon mittelfristig und nicht erst in Generationen, und eine gesunde und lebendige Landschaft ist für jeden erlebbar. Darum geht es bei der Renaturierung: der Natur wieder einen Raum zu geben, damit wertvolle Ökosysteme sich erholen, der Klimawandel begrenzt wird und wir Menschen die Natur nachhaltig nutzen können. Die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur kann eine Wende im Naturschutz markieren und uns schnell und nachhaltig bei der Bekämpfung der Artenkrise voranbringen. Dafür bietet die Verordnung einen ambitionierten und ausgewogenen Rahmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir teilen doch alle – fast alle; ganz rechts würde ich ausnehmen – das Ziel, dass das dramatische Insektensterben aufhört, dass die Wälder resilienter gegen Hitze und Trockenheit, Brände und Schädlinge werden, dass ein Teil der Moore wiedervernässt wird und als Vogelrückzugsort und CO2-Senke dient. Das ist doch eine Win-win-Situation für alle und kein Schreckgespenst. Klima- und Naturschutz voranzubringen, hochwertige Erholungsräume zu schaffen und eine nachhaltige Land- und Forstwirtschaft zu unterstützen – darum geht es. Aber – und das hatte ich so auch schon gesagt – wenn wir diese Ziele teilen – und ich weiß, dass wir sie teilen; wir haben uns darüber ja auch schon ausgetauscht –, dann können wir doch jetzt nicht die Augen zumachen und einfach nichts tun, sondern dann müssen wir uns doch jetzt auf den Weg machen und die Maßnahmen umsetzen, die nötig sind, damit wir diese Ziele erreichen. Deshalb mein Appell an Sie, liebe Union: Lassen Sie uns gemeinsam vorankommen! Geben Sie Ihre Blockadehaltung in der EU auf, und zeigen Sie Solidarität, nicht nur mit der Natur, sondern auch mit Ihrer eigenen EU-Kommissionspräsidentin! Denn die Augen zu verschließen und nichts zu tun, hat noch nie etwas besser gemacht. Vielen Dank.