Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass die Ampelkoalition hier geschlossen und entschlossen handelt, und es ist genauso gut, dass es gelungen ist, dies in der Sache mit den Kolleginnen und Kollegen der Union zu tun; denn damit ist doch klar: Bei zentralen europapolitischen Fragen verbindet unsere fünf Parteien mehr, als uns trennt. Das ist gut so, und genauso sollten wir es handhaben. Was meinen Vorredner anbelangt, kann ich nur sagen: Ich lade Sie herzlich dazu ein, den nächsten Schritt gemeinsam hinzubekommen, nämlich die Sperrklausel zu konkretisieren, transnationale Listen zu implementieren und auch das Spitzenkandidatenprinzip zu praktizieren. Es ist auch wichtig, dass wir auf unsere Parteifreundinnen und ‑freunde in Spanien und Zypern freundlich einwirken, damit die Ratifizierung in diesen beiden Ländern gelingt, liebe Kolleginnen und Kollegen; denn daran scheitert es zurzeit. Es muss klar sein, dass der Wert des europäischen Einigungsprozesses über das hinausgeht, was die parteitaktischen Preise vielleicht sein mögen. Wir haben über Mühen auf den verschiedenen Ebenen mit langen Beratungen, Anhörungen und Beteiligungen rechtlich alles dreimal überprüft, wie es sich gehört, und bekommen nun auch eine Zweidrittelmehrheit. Das ist gut so. Aber reden wir mal über die Probleme, die auf uns zukommen. Alles, was wir in den letzten Jahren europapolitisch an Fortschritten erzielt haben, wurde vorher oder zwischendurch in Karlsruhe beklagt. Es wird darum gehen, ob wir unserer Integrationsverantwortung dahin gehend gerecht werden, dass wir Europa ermöglichen, statt Europa zu behindern. Ich sage nach 20 Jahren Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht mal ganz offen: Da ist es nicht so wie hier, wo wir miteinander ringen und meistens Kompromisse finden. Da ist es auch nicht so, wie wenn wir uns zu Recht kritisch mit Bürgerinnen und Bürgern auseinandersetzen. Und es ist da schon gar nicht so, wie wenn wir in unseren eigenen Parteien Schulterschlüsse und Umarmungen praktizieren. Bei den Verhandlungen des Bundesverfassungsgerichts ist es ein Gefühl zwischen einem mündlichen Staatsexamen und einer Anklagebank. Ich habe das den Richterinnen und Richtern im letzten Verfahren auch so gesagt, um deutlich zu machen: Wir kommen unseren rechtlichen wie politischen Verpflichtungen, was die europäische Integration anbelangt, hier nach – jeden Tag, bei allen Verfahren. Wir sind die erste Gewalt. Wir müssen ganz bestimmte Konflikte aushalten, und das fängt damit an, dass wir die Konflikte aussprechen. Wir haben jetzt zehn Jahre lang die Erfahrung einer Renationalisierung bei unserem höchsten Gericht gemacht. Das Grundgesetz gibt uns Integrationsfreude und ein vereintes Europa als Ziele vor. Karlsruhe hat im Lissabon-Urteil 36-mal gesagt: nationale Souveränität. Sie alle wissen, dass dieser Begriff in unserer Verfassung nicht vorkommt. Sondern: Wir wollen als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt dienen. Deshalb kann ich Sie alle nur bitten, bei all diesen Verfahren dort den Bundestag mit zu repräsentieren, um unsere Haltung aufrecht, überzeugt und mit Leidenschaft zu vertreten. Ich bitte Sie wirklich: Wir haben 15 Jahre gebraucht, bis wir die Direktwahl zum Europäischen Parlament realisiert haben, von 1961 bis 1976. Wir haben weitere 15 Jahre gebraucht, bis wir das EU-Kommunalwahlrecht realisiert haben. Beides waren große Erfolge; es waren riesige Fortschritte. Es lohnt sich für uns, auf genau diesem Weg weiterzugehen, mit unserer gemeinsamen Überzeugung. Es ist es wirklich wert – das ist keine Frage des Preises –, dass wir dieses gemeinsame Europa in einer Zeit, in der ganz andere Probleme auf uns zukommen, zusammenhalten. Das geht am besten, indem wir die Demokratie stärken. Demokratie stärken heißt für uns immer, dass die Bürgerinnen und Bürger die Chance haben, sich in ihre eigenen Angelegenheiten einzumischen, und genau das machen wir mit der Fortschreibung des Direktwahlaktes. Deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmung.