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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste auf der Besuchertribüne! Der Deutsche Bundestag wird morgen hier im Plenarsaal in einer Gedenkstunde an die Opfer des Volksaufstandes in der DDR am 17. Juni 1953 erinnern. Mindestens 55 Menschen starben, etwa 15 000 wurden verhaftet, weil sie für ihre Freiheit demonstrierten.
Über 2 Millionen Menschen waren bereits aus der DDR in den Westen geflohen. Und auch später riss dieser Strom nicht ab: Allein im Notaufnahmelager in Berlin-Marienfelde wurden zwischen 1953 und 1990 über 1,5 Millionen DDR-Flüchtlinge aufgenommen. Flüchtlinge, die aus einer Diktatur, einer kommunistischen Diktatur geflohen sind, in der frei denkende Menschen willkürlich verfolgt und verhaftet wurden. Der Volksaufstand am 17. Juni 1953 steht wie kein anderer Tag für die Sehnsucht der DDR-Bürger nach Freiheit – und er steht für alle Menschen, die sich in den 40 Jahren gegen das System der Unterdrückung gestellt haben.
Der 17. Juni ist zugleich aber ein historischer Tag für ganz Deutschland. Er besiegelte die Teilung Deutschlands, trennte Familien, zerstörte die Hoffnung auf die deutsche Einheit – eine Hoffnung in Ost und in West! Deshalb ist es wichtig, dass wir in diesen Tagen nicht nur in Leipzig und Berlin oder auch in meinem Wahlkreis in Delitzsch erinnern, sondern die Wanderausstellung der Bundesstiftung Aufarbeitung auch in Hamburg, Trier und Fürstenfeldbruck gezeigt wird. Das ist genau der richtige Weg. Unsere jüngere deutsche Geschichte ist unsere gemeinsame Geschichte. Auch der 17. Juni muss Teil eines nationalen Gedächtnisses sein.
Wir bringen heute einen Antrag ein, in dem wir die Bundesregierung auffordern, endlich das Mahnmal für die Opfer des Kommunismus und das Forum für Opposition und Widerstand zu realisieren. Diese Orte werden wichtige Orte des Gedenkens und der Wissensvermittlung sein. Die Bundesregierung lässt hier aber keinen Handlungswillen erkennen. Auch der im Koalitionsvertrag angekündigte Härtefallfonds für die Opfer der DDR-Diktatur ist bisher eben nur angekündigt. Dabei leiden viele Opfer bis heute massiv unter den Folgen. Erst gestern haben wir wieder im Kulturausschuss von der SED-Opferbeauftragten Evelyn Zupke und Herrn Dombrowski vom Opferverband gehört, dass wir immer noch weitere Verbesserungen bei der Rehabilitierung der Opfer brauchen.
Sie haben die nicht durchsetzen können!)
Freiheit und Menschenrechte – Werte, die über 1 Million Demonstranten am 17. Juni 1953 einforderten – sind eben keine ostdeutschen, sondern europäische und universelle Werte. Unsere Demokratie darf nicht zum Auslaufmodell werden. Wir haben die Freiheit, daran mitzuwirken und mitzugestalten, und wir haben die Verantwortung.
Der 17. Juni steht auch für den Widerstand gegen den Kommunismus in ganz Europa: 1956 in Ungarn, 1968 in Prag, 1980 in Polen bis hin zur Friedlichen Revolution 1989. Erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1990 und der Befreiung von vier Jahrzehnten sowjetischer Vorherrschaft wurde der Traum von einem freiheitlichen Europa wahr. Fast ein halbes Jahrhundert hat die Sowjetunion Freiheit und Demokratie in Mittel- und Osteuropa mit Gewalt und Verfolgung verhindert. Und auch heute rollen wieder russische Panzer in Europa: 40 Millionen Ukrainer kämpfen für ihre Freiheit.
70 Jahre nach dem gescheiterten Freiheitsaufstand steht der 17. Juni 1953 symbolisch für alle Menschen, die auch heute Opfer von Willkür sind. Stellvertretend seien genannt: Alexej Nawalny in Russland, Joshua Wong in China, José García in Kuba und die Journalistinnen Mohammadi und Hamedi im Iran. Sie sind die Stimme für so viele Menschen, die sich nach einem Leben in Freiheit sehnen.
Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ihr mutiger Widerstand gegen Diktatur und Unterdrückung ist nicht umsonst; denn am Ende siegt immer die Freiheit!
Wir dürfen nicht müde werden, zu erklären, dass wir dankbar sind, heute in einem wiedervereinten, freiheitlichen Deutschland, in einem freien Europa zu leben.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Unser Kollege Kassem Taher Saleh hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)