Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Thomae, Sie wollen sich den 8. Juni im Kalender anstreichen, der Tag, an dem der Beschluss gefasst wurde. Doch der Beschluss ist nicht gefasst worden wegen der deutschen Bundesregierung, sondern trotz der deutschen Bundesregierung, trotz Frau Faeser. Sie haben in der Koalition eine Verhandlungsstrategie dazu festgelegt, wo Sie den Vorschlag der Kommission abschwächen wollen, verwässern wollen. Keinen einzigen dieser Punkte konnte Frau Faeser auf EU-Ebene durchsetzen. Dieser Beschluss ist zustande gekommen, weil die anderen europäischen Länder hartnäckig geblieben sind gegen die deutsche Bundesregierung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie waren und sind in der Migrationspolitik auf europäischer Ebene isoliert. Das hat man spätestens daran gemerkt, dass Frau Faeser noch an dem Abend, als dieser Kompromiss gefunden wurde, gesagt hat, man werde ihn wieder auflösen, wieder aushöhlen, wieder abschwächen. Das ist keine verantwortungsvolle Politik. Und man erarbeitet sich auch kein Vertrauen bei den anderen europäischen Staaten, wenn man das, was man gerade beschlossen hat, hinterher wieder auflösen will. Deswegen, weil Sie Ihre Positionen auf EU-Ebene nicht durchgesetzt bekommen haben, haben Sie jetzt auch wieder Krach in der Koalition. Dieses Mal ist aber nicht die FDP der Störenfried, die Grünen sind seit dem vergangenen Donnerstag geradezu paralysiert, sie sind ja fast in Auflösung begriffen. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dann war das die Rede des Kollegen Pahlke hier gerade. Deswegen haben wir ein spannendes Wochenende bei den Grünen vor uns; ich werde es sehr genau beobachten. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie hier von Haft sprechen, dann übertreiben Sie, dann überziehen Sie und lenken in der Tat die Menschen auf einen falschen Pfad. Wenn Herr Kollege Pahlke uns Unchristlichkeit vorwirft, dann überschreitet er die Gepflogenheiten zwischen demokratischen Parteien. Diese Äußerung hier war unverantwortlich. Und, Herr Kollege Pahlke, es gibt noch Vernünftige bei den Grünen, sogar einen Ministerpräsidenten. Ministerpräsident Kretschmann, der bis vorvergangenes Jahr im Zentralkomitee der Katholiken war, war gestern Abend bei Herrn Lanz und hat dort gesagt: „Die Leute können ja zurück. Das ist doch keine Haft.“ Das ist vielleicht ein bisschen zynisch, aber in schwäbischer Nüchternheit ist diese Aussage schlicht richtig. Und das Außengrenzverfahren, ja, es kann ein wichtiger Baustein bei der Bekämpfung irregulärer Migration sein; denn es gibt kein Völkerrecht, das irreguläre Migration schützt. Bei den Personen, die Sie jetzt in dieses Außengrenzverfahren bringen wollen, handelt es sich um Personen aus Ländern mit einer Anerkennungsquote von bis zu 20 Prozent, also Fälle, bei denen eine Wahrscheinlichkeit von mindestens – Herr Kollege Pahlke, das ist Mathematik – 4 : 1 besteht, dass sie kein Einreiserecht nach Europa haben. Und um nichts anderes geht es in dem Außengrenzverfahren. Dann gibt es ein rechtsstaatliches Verfahren, das klärt, ob diese Wahrscheinlichkeit als Beweis des ersten Anscheins tatsächlich gegeben ist. Warum machen wir das überhaupt? Wir machen das deshalb, weil wir Leid mindern wollen, weil wir nicht wollen, dass die Menschen im Mittelmeer oder in der Sahara sterben. Wir wollen, dass es langfristig einen Lerneffekt gibt, dass man, wenn man keine Chance hat, nach Europa einzureisen, sich auch nicht auf diesen gefährlichen Weg macht. Jetzt wollen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, Familien mit Kindern hier generell aus diesem Kompromiss herausverhandeln. Dadurch entsteht doch aber ein anderer Lerneffekt bei den Menschen: Ich muss mit Kindern diese gefährliche Reise machen, dann habe ich eine Chance, nach Europa einzureisen. Und das können Sie doch nicht wirklich ernsthaft wollen. Wer Ordnung und Steuerung, auch Schutz von Menschen will und Leid mindern will, der muss das Außengrenzverfahren möglichst effektiv anwenden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Von wem bitte? Ja, immer. Gerne. Liebe Frau Kollegin Bünger, ich versuche es ein zweites Mal: Erstens. Das sind keine Hafteinrichtungen, das sind Zwischeneinrichtungen, wo für eine gewisse Zeit geprüft wird, ob eine Einreisemöglichkeit, eine Einreiseberechtigung besteht oder nicht für den Personenkreis, der von diesem Außengrenzverfahren umfasst wird. Und das sind nun mal Menschen, die aus einem Land mit einer Anerkennungsquote von maximal 20 Prozent kommen. – Das sind Menschen. Noch mal: Aber wie bei jedem anderen Grenzverfahren auch, wenn Sie in ein anderes Land reisen, nicht gerade innerhalb der Europäischen Union, müssen Sie nachweisen, dass sie einen berechtigten Grund haben, in dieses Land einzureisen – sei es als Tourist, sei es beruflich oder eben auf Dauer. Diese Menschen wollen auf Dauer nach Europa. Insofern ist es das gute Recht auch der Europäischen Union und jedes Staates, zu klären, ob dieses Einreiserecht besteht. Jetzt sprechen wir über Familien, insbesondere solche mit Kindern. Wir machen dies auch – ich habe es gerade erklärt –, um zu verhindern, dass Menschen sich auf einen gefährlichen Weg begeben. Wir haben es erst diese Woche leider wieder erleben müssen vor den griechischen Inseln. Deswegen muss es dort einen Lerneffekt geben. Das wollen wir doch alle, dass sich Menschen nicht auf diesen gefährlichen Weg machen, wenn sie eigentlich keine Bleibeperspektive in Europa haben. Deswegen machen wir dieses Verfahren. Nur, wenn wir jetzt wieder einzelne Personen – auch Kinder – davon ausnehmen, dann ist der Lerneffekt in den Herkunftsstaaten, wo es keine Bleibeperspektive oder Einreiseperspektive nach Europa gibt, genau der umgekehrte: Man nimmt ein Kind und macht sich auf diesen Weg. – Das kann wirklich niemand, der Menschlichkeit will, wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt aber noch einen zweiten großen Baustein in diesem Paket. Der heißt: verpflichtender Solidaritätsmechanismus. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist wirklich Lug und Trug gegenüber der Bevölkerung und allen, die das interessiert. Ich habe die Pressemitteilung des Rates hier im Original vom 8. Juni – ich zitiere –: Es gibt keine Verpflichtung zur Verteilung. Es gibt kein angemessenes System, das zum Schluss Deutschland entlasten wird. Und diesem Kompromiss – – haben Sie als Ampel zugestimmt. Das schadet Deutschland und nützt nicht Deutschland. Herzlichen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.