Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Deutsche Demokratische Republik existierte von 1949 bis 1990, nicht bis 1989. Warum leite ich so ein? Nun, in einem der hier zu beratenden Anträge wird das letzte Jahr der DDR schlicht unterschlagen. In diesem einen Jahr ist aber viel Bemerkenswertes geschehen. Es ist eine dieser Unterschlagungen, wie sie so häufig im Umgang mit der DDR-Geschichte geschehen sind und auch weiter geschehen – aus ganz unterschiedlichen Motiven. Ich möchte mich diesbezüglich bei der Bundestagsverwaltung bedanken. Es geht mir um die Installation im Untergeschoss des Reichstagsgebäudes. Die Installation, um die es geht, heißt „Deutsche Abgeordnete 1919 bis 1999“. Hier fehlen die Menschen, die in die Volkskammer 1990 in der ersten und einzigen freien Wahl in der DDR gewählt wurden, Menschen wie Regine Hildebrandt, Menschen wie Jens Reich. Ich habe immer wieder darauf hingewiesen. Deswegen freue ich mich, dass diese Menschen nun gegenüber der Installation auf dem Weg ins Jakob-Kaiser-Haus geehrt werden. Ich muss diesem Dank jedoch ein Aber hinzufügen. Die Installation wird dadurch nicht weniger unvollständig. Sie ist und bleibt ignorant. In gewisser Weise ist sie für mich, für viele eine Beleidigung. Denn gerade diese freie Volkskammerwahl 1990 ist vielleicht einer der Schlusssteine der Friedlichen Revolution gewesen. Diesen hell leuchtenden Punkt in der Geschichte zu unterschlagen, entwertet diese ansonsten so bemerkenswerte Installation. Ich fordere deswegen, dies im Umfeld der Installation endlich zu thematisieren und zu erklären, statt es weiter verstohlen zu verschweigen. Natürlich gibt es viel mehr aufzuarbeiten. Noch immer wird nach den Geldern der DDR-Massenorganisationen wie der SED gesucht. Vor einigen Jahren wurden 185 Millionen Euro in einer Tarnfirma namens Novum gefunden. Natürlich müssen wir Aufklärungsorte schaffen, damit zum Beispiel die Erinnerungsarbeit geleistet wird. Wir als Bündnis 90/Die Grünen schlagen – nicht alleine – zum Beispiel konkret vor, in Lichtenberg den Campus für Demokratie noch stärker zum Leben zu erwecken. Ich möchte aber noch auf ein anderes, wenig erwähntes Kapitel hinweisen; denn auch die CDU hat in Sachen Aufklärung noch einiges zu tun. So schrieb der Politische Ausschuss der DDR-CDU am 18. Juni 1953 – ich zitiere –, nie wieder dürften, „von Westberlin her organisiert“, „eingeschleuste Untergrundelemente“ und „faschistische Provokateure ehrliche Forderungen und Anstrengungen unseres Volkes für ihre verbrecherischen Machenschaften benutzen“. Oder auch: So formulierte es der DDR-CDU-Generalsekretär Gerald Götting. Deswegen ist richtig, was ein Sondervotum der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ im Mai 1994 formuliert hat – auch da zitiere ich –: – ich glaube, da sind wir uns alle einig – Es wäre wahrlich gut, wenn das angegangen und nicht mehr weggeschwiegen wird. Nun reden wir heute aber über Anträge der AfD. Ich begrüße es, dass Sie sich mit der jüngeren deutschen Geschichte auseinandersetzen. Allerdings möchte ich Ihnen nahelegen, sich auch mit den Jahren von vor 1945 endlich einmal intensiver auseinanderzusetzen. Aber bleiben wir beim Thema. Sie fordern den Bundestag auf, die Verbindung zum DDR-Regime aufzuarbeiten. Sie versuchen sich dabei als Anwälte der Opfer zu generieren. Mir scheint, Sie müssen selbst erst mal Ihr Verhältnis zu dem Thema klären. Vielleicht dienen die Anträge ja dazu, das mal intern zu besprechen. Immerhin werfen Sie leichtfertig mit Begriffen um sich und reden von „Steuer-Stasi“ in dieser Republik. Andere tun das auch und reden von „Energie-Stasi“ in den letzten Wochen; gleicher Sound. Meine Damen und Herren, mit einer solchen Wortwahl verhöhnen Sie die Opfer, für die Sie vorgeblich streiten. AfD-Mitglieder waren bei der Stasi, sie ließen sich vor 1990 im Westen von der SED finanzieren, sie gaben sich als Ukrainer aus – dabei sind sie AfD-Funktionäre – und leiten durch Stasiuntersuchungsgefängnisse. Wie irre ist das bitte? Und dann stellen Sie gleichzeitig hier diese Anträge. Das alles wird Erinnerung und Aufarbeitung nicht gerecht. Es gab so viele größere und kleinere Akte des Widerstandes in der DDR. Daran und an die mutigen Menschen zu erinnern, die trotz Repressionen mehr Demokratie forderten, das ist wichtig. Wir erinnern am Freitag und am Samstag an den Aufstand von 1953. Dieser war der erste in einer Reihe von Reformbewegungen im Osten des Eisernen Vorhangs. 1956 waren die Reformbewegten in Ungarn die Nächsten, 1968 in Prag. Die Bewegung in Polen und die gewaltsamen Versuche, diese zu unterdrücken, waren ebenso im kollektiven Gedächtnis und Bewusstsein der DDR-Bevölkerung wie die blutige Niederschlagung der Proteste in China im Sommer 1989. Umso beeindruckender ist es für mich, an diese gelungene und friedliche Revolution von 1989 immer wieder zu erinnern. Im Übrigen – auch wenn das im Rückblick manchmal anders klingt – waren es die Bürger/-innen der DDR, die sich in Umwelt- und Friedensgruppen organisiert haben. Es waren die DDR-Bürgerinnen und -Bürger, die unter schwierigsten Bedingungen auf dramatische Umweltverschmutzung hinwiesen. Daran zu erinnern und die Repression, die dort passiert ist, sauber aufzuarbeiten, statt diese Geschichte auszunutzen – das muss das Ziel sein. Vielen Dank.