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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Sichert, ich weise für die FDP-Bundestagsfraktion – ich behaupte, auch für die anderen demokratischen Fraktionen – von uns, dass im Gesundheitsausschuss wöchentlich Recht gebrochen wird. Das ist eine Unverschämtheit, und das weisen wir hier von uns.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Aber jetzt zum Thema Pflege; darum geht es ja heute. Wir Freie Demokraten sind fest davon überzeugt, dass es unsere Pflicht ist, für eine gute Pflegeinfrastruktur zu sorgen und den Menschen in ihrer häuslichen Pflegebedürftigkeit bestmögliche Unterstützung zu bieten. Dabei ist es wichtig, dass wir den Rahmen des finanziell Möglichen ausschöpfen, um die Pflegeleistungen angemessen zu gestalten. Wir können aber den finanziellen Rahmen im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kontext nicht sprengen. Dieses Versprechen haben wir den kommenden Generationen gegeben, und hierzu werden wir uns weiterhin bekennen. Meine Damen und Herren, das ist Generationengerechtigkeit.
Deutlich wird in allen Belangen unserer Gesundheitsversorgung immer wieder, dass die Umlagefinanzierung sowohl der sozialen Pflegeversicherung als auch der gesetzlichen Krankenversicherung im Kontext des demografischen Wandels zu einem immer schwerer zu lösenden Problem wird – ein Problem, das sich in den vergangenen Dekaden für jedermann sichtbar aufgebaut hat, bei dem aber niemand aus vorhergehenden Regierungen die Courage hatte, sich dessen anzunehmen. Folgerichtig ist es nun für alle Beteiligten in der Ampel signifikant schwerer, nachhaltige Lösungen für das Problem zu finden.
Natürlich ist es immer unser Ziel, das Maximum im Rahmen der jetzigen Situation zu erreichen. Wir müssen jedoch realistisch sein und erkennen, dass es finanzielle Grenzen gibt. Es ist unsere Aufgabe, die vorhandenen Ressourcen verantwortungsvoll einzusetzen.
Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Ich möchte in diesem Zusammenhang an unsere Verfassung erinnern und an unsere Vereinbarung, ab 2023 die Verschuldung auf den verfassungsrechtlich von der Schuldenbremse vorgegebenen Spielraum zu beschränken und die Vorgaben der Schuldenbremse einzuhalten. Das ist nicht nur finanzielle Verantwortung, sondern auch Generationenverantwortung. Es sollte nämlich unser politisches Ziel bleiben, die Sozialabgaben bei 40 Prozent zu stabilisieren. Dieses Ziel können wir bereits jetzt nicht einhalten. Die Sozialabgaben liegen heute schon, vor dem sukzessiven Renteneintritt der Babyboomer, bei 41 Prozent.
Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Wir dürfen und können so nicht weitermachen, meine Damen und Herren.
Zur Wahrheit gehört auch: Die Wettbewerbschancen der deutschen Wirtschaft im internationalen Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte werden so gefährdet. Auch unser Wirtschaftsstandort wird gefährdet. Denn Leistungsausweitungen ziehen einen dauerhaften Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge nach sich. Das heißt, die Lohnnebenkosten steigen. Deshalb sollte klar sein, dass dieses Gesetz nur ein erster Schritt bei der Reform der sozialen Pflegeversicherung ist.
Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Herr Dr. Ullmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Kollegen Pilsinger und der Kollegin Vogler?
Beide, okay. – Erst Herr Pilsinger.
Herr Kollege, vielen Dank für das Zulassen der Frage. – Sie haben sehr kurzfristig, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, einen Änderungsantrag eingebracht, wonach Patienten zukünftig nicht mehr an die niedergelassenen Ärzte überwiesen werden dürfen, sondern nur noch an die Notdienstpraxen. Das ist ein ganz klarer Angriff auf alle niedergelassenen Ärzte. Deswegen meine Frage: Warum forcieren Sie diese Staatsmedizin?
Lachen bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Lieber Herr Kollege Pilsinger, Sie sind ja theoretisch ein Vertragsarzt;
Sie arbeiten zumindest in einer Praxis. Wenn Sie diesen Antrag richtig gelesen haben, werden Sie festgestellt haben, dass keine Verbote ausgesprochen worden sind, sondern dass dies ein erster Schritt in Richtung Notfallreform ist, die dringend notwendig ist.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich bin seit über 35 Jahren Klinikarzt. Dort hatten wir sehr viele unnötige Fälle, weil die Praxen keine Zeit hatten, die Patientinnen und Patienten keinen Termin bekommen haben, weil die Kolleginnen und Kollegen dort auch sehr viel zu tun haben. Wir haben jetzt die ersten Schritte gemacht, die Ersteinschätzung zu standardisieren, damit auch Krankenhäuser diese Patienten an die Notfallpraxis – auch das ist eine vertragsärztliche Praxis – überweisen können. Es ist aber nach wie vor möglich, sie an eine KV-Praxis zu überweisen.
Ich glaube, dass Sie Verbote mit dem, was nicht in diesem Gesetzentwurf steht, verwechselt haben. Verboten ist hier gar nichts.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt die Kollegin Vogler.
Zurück zur Pflege. Lieber Kollege Ullmann, Sie haben gerade erklärt, dass Sie weitere Leistungsverbesserungen nicht ablehnen, aber große Sorgen vor einem weiteren Anstieg der Lohnnebenkosten haben. Nun hat Die Linke Ihnen vorgeschlagen, wie man das klug lösen könnte, indem man beispielsweise neben dem Einkommen aus abhängiger Beschäftigung weitere Einkommensarten in die Beitragsbemessung als Grundlage der Pflegeversicherung einbezieht. Wenn Mieteinnahmen und Einnahmen aus Kapitalvermögen, die übrigens im Vergleich zu lohnabhängigen Einnahmen in den letzten Jahren sehr viel stärker gestiegen sind, mit einfließen könnten, würde das die Lohnnebenkosten, die in der Regel ein Beitrag zum Sozialen in diesem Land sind, entlasten.
Beifall bei der LINKEN)
Liebe Kollegin Vogler, wir kennen uns ja schon ein bisschen. Es ist nicht überraschend, dass Die Linke immer die gleiche Lösung hat: Wir nehmen Geld weg und verteilen dieses.
Dass aber das Geld, das existiert, erst verdient werden muss – Sie sagen, die Gewinne müssten für Reinvestitionen abgeschöpft werden –, wird immer außer Acht gelassen.
Zuruf der Abg. Susanne Ferschl [DIE LINKE])
Es ist ganz wichtig, in unserem Land zu verstehen, dass wir ein Hochsteuerland sind. Wir haben neben Belgien die höchsten Steuern in Europa. Wir haben sehr hohe Abgaben für die Sozialversicherungen. Und Sie wollen immer noch mehr machen. Wo soll das enden?
Ihre Ideen sind nicht nachhaltig, sind nicht generationengerecht. Wir bieten da etwas anderes an. Wir haben als Ampel etwas eingebracht, was Sie gar nicht anbieten. Wir haben im Gesetzentwurf festgelegt, dass eine Kommission mit Expertinnen und Experten einberufen wird, die für eine nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung Sorge tragen wird, um den Bedürfnissen, denen Sie mit „Geld wegnehmen und verteilen“ begegnen wollen, was nur kurzfristig wirkt und auf Dauer nicht funktionieren wird, gerecht zu werden.
Beifall bei der FDP
Wenn er nicht mehr weiterweiß, gründet er einen Arbeitskreis!)
Ich mache dann mit meiner Rede weiter. – Das ist es ja gerade, meine Damen und Herren: Die nachhaltige Finanzierung ist die nächste und logische Konsequenz bei der Weiterentwicklung der Pflegeversicherung der Bundesrepublik Deutschland. Dieser erste Aufschlag mit der Pflegeversicherung ist der Startpunkt für eine nachhaltige und konsequente Situationsverbesserung. Dazu gehört auch, Modelle zu diskutieren. Ein Modell ist die kapitalmarktorientierte Pflegeversicherung. Sie ist nicht mit dreifach gehebelten Finanztiteln gleichzusetzen, sondern sollte in einem geregelten und dennoch zielgerichteten Rahmen erfolgen, wie wir es bei der Rentenversicherung schon seit Jahren fordern. Eine unabhängige Kommission zur Erarbeitung der zukunftssicheren Pflegefinanzierung – ich nannte sie schon – kann, sollte und muss dies berücksichtigen und in Betracht ziehen dürfen.
Insgesamt ist das Pflegeunterstützungs- und ‑entlastungsgesetz ein Schritt in die richtige Richtung, um die Situation der Pflege in Deutschland zu verbessern. Wir haben dabei das finanziell Mögliche ausgeschöpft. Die nächsten Schritte werden wir gemeinsam als Ampel gehen. Ich möchte mich explizit bei den Kolleginnen und Kollegen der Ampel bedanken für die sehr konstruktive, auch durchaus heftige Diskussion, die wir hatten, und auch für die Mitarbeit unseres Gesundheitsministers Karl Lauterbach und bei seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, –
Kommen Sie bitte zum Schluss.
– die auch spät am Abend und am Wochenende gearbeitet haben. Ich freue mich auf die nächsten Schritte, die wir dann gemeinsam gehen.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Simone Borchardt.
Beifall bei der CDU/CSU)