Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Demokratinnen und Demokraten! Es ist warm draußen; da kann man mal wieder sehen, was Frühlingsgefühle bei der Union anrichten. Da reist man doch auch mal gerne in die USA, um sich mit Mitgliedern der Neuen Rechten zu treffen und hinterher durch einen doofen Zufall zu vergessen, wer diese Reise eigentlich gezahlt hat. Aber so ist das eben manchmal mit Frühlingsgefühlen, da trifft man sich dann auch mal mit einem Mann, der gerade Inhalte an Schulen per Dekret kontrollieren will, gegen queere Menschen hetzt und auch ansonsten ein ziemlich strammer Rechter ist. Ich gönne der Union ja wirklich von Herzen jeden Flirt – ehrlich! –, aber wenn Sie wen kennenlernen, sollten Sie wenigstens darauf achten, dass die Person nicht von der anderen Seite der Brandmauer kommt. Die Affäre um Ron DeSantis erklärt aber vielleicht auch, dass die Union unter Merz immer weiter in den Trumpismus abrutscht und immer rechter wird. Da sitzt Jens Spahn in einer Talkshow und fordert ernsthaft, dass die ganze Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention abgeschafft werden sollen – infrage gestellt und als unnötig betrachtet, beides. Die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention sind zentrale Lehren aus den finstersten Jahren der Nazizeit, weil es an Schutz für die durch die Nazis vertriebenen Menschen fehlte. Und man hat in der Nachkriegszeit eingesehen, dass zu einem „Nie wieder!“ auch ein Mindestmaß an internationalem Schutz gehört. Bisher habe ich die Forderung nach Abschaffung dieser historischen Rechtsgrundlage von der AfD gehört, die damit jahrelang rumgelaufen ist. Aber die Brandmauer der Union, die ist nicht nur am Bröckeln; Ihre Brandmauer hat ein fettes, fettes Loch im Zaun, durch das Sie Ihren rechten Nachbarn immer näher rücken. Was passiert, wenn Menschenrechte überhaupt nicht mehr eingehalten werden, das kann man gerade im Mittelmeer sehen. Dieses Jahr wird wohl ein trauriges Rekordjahr. In diesem Jahr sind seit 2017 die bisher meisten Menschen ertrunken. Gestern hat die maltesische Seenotleitung einen Seenotfall mit 500 Menschen einfach ignoriert. Die griechische Küstenwache setzt Kinder auf Rettungsinseln aus. Das ist die Abwesenheit von Menschenrechten, in aller Realität und in aller Brutalität. Nö. Dann hören wir, dass es Grenzzäune geben soll, um die Kommunen zu entlasten; das ist doch absurd. Schauen wir uns doch mal an, woher die Menschen kommen, die dann, Ihrer Meinung nach, erst über NATO-Draht klettern müssen, ehe sie Schutz bekommen! Die meisten Schutzsuchenden kamen dieses Jahr aus der Ukraine, gefolgt von Menschen aus Syrien, aus Afghanistan, der Türkei und dann gefolgt von Menschen aus dem Iran. Für all diese Menschen werden auch aus der Union Solidaritätserklärungen unterschrieben, wird die demokratische Opposition der Türkei natürlich unterstützt, und Herr Merz setzt sich richtigerweise persönlich für inhaftierte iranische Demonstranten ein. Das ist richtig, weil wir an der Seite der Menschen stehen müssen, egal in welchem dieser Länder, weil wir mit ihnen den Kampf für Freiheit, Selbstbestimmung und Grundrechte führen: ob gegen Assad, die Taliban oder das Mullah-Regime im Iran. Wer Zäune an den Außengrenzen fordert, wirft genau diese Menschen vor den Bus und nimmt ihnen jede Chance auf ein Leben in Würde. Damit haben Sie keiner einzigen Kommune in Deutschland geholfen, nicht eine Wohnung gebaut, nicht einen Kitaplatz geschaffen, sondern einzig und allein eine populistische These verbreitet. Natürlich: Es braucht eine schnellere Verteilung von Geflüchteten aus den Außengrenzstaaten, damit Länder wie Italien oder Griechenland nicht alleine gelassen werden. Die Übernahmen kommen aktuell zu langsam voran, auch weil die sekundäre Sicherheitsüberprüfung durch deutsche Behörden in Ländern wie Italien einfach zu lange dauert, während man solche sekundären Überprüfungen eben auch in Deutschland durchführen könnte. Eine Verteilung muss aber eben auch Teil der Reform eines europäischen Asylsystems sein. Ein System ohne verpflichtende und dauerhaft geregelte Verteilung wird nur dazu führen, dass Außengrenzstaaten alleine gelassen werden, diese Staaten dann weiter brutale Pushbacks – wie jetzt in Griechenland – durchführen und geltendes Recht wieder nicht eingehalten wird und die EU-Kommission weiter bewusst wegschaut. Deswegen hat der ÖVP-Politiker Othmar Karas ja heute richtigerweise auch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland gefordert, damit diese menschenrechtswidrigen Pushbacks endlich beendet werden. Bei allem, was in Brüssel diskutiert wird, muss überhaupt mal überprüft werden, wie sich zum Beispiel eine neue Asylverfahrensverordnung auch in Deutschland auf die Kommunen auswirken würde. Bis heute ist völlig unklar, wie viel Arbeit und Geld dafür eigentlich gebraucht würden. Aber wenn Länder und Kommunen noch einen zusätzlichen Haufen an Aufgaben übernehmen sollen, dann sollte man sie auch mal dazu befragen und überprüfen, wie solche Verfahren im Detail eigentlich aussehen sollen; denn wenn eines den Außengrenzstaaten und den Kommunen weiterhilft, dann ist es eine ehrliche Debatte ohne heißgedrehten Trumpismus und falsche Versprechen und ohne eine völlige Ignoranz der Migrationswissenschaften. Denn die Flucht von Menschen wird man nicht mit Stacheldraht verhindern können. Man kann sie aber menschenwürdig gestalten, indem das Grundrecht auf Asyl geschützt wird, Flüchtende nicht inhaftiert werden, jeder Antrag inhaltlich geprüft wird und Länder wie Italien sich auf eine Verteilung verlassen können und wir Geflüchteten schnell die Möglichkeit geben, Fuß zu fassen oder eine Arbeit aufzunehmen und ein selbstverständlicher Teil dieser Gesellschaft zu werden. Vielen Dank.