Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben es hier mit einem Unionsantrag zu tun, dessen Inhalt ohne Frage von großem Interesse ist, politisch und medizinisch. Aber ich frage mich: Was bietet dieser Antrag wegweisend Neues? Im Grunde zitieren Sie in Ihrem Antrag mehrmals das „Deutsche Ärzteblatt“, schreiben aus mehreren Ausgaben in leicht veränderter Weise ab; aber neue Ideen, irgendetwas Außergewöhnliches oder Wegweisendes kann ich Ihrem Antrag nicht entnehmen. Der Fehler, den Sie begehen, ist die Annahme, dass Covid ein einheitliches, klar definiertes Krankheitsbild ist. So ist es aber gerade nicht. Was ist Long Covid, Post-Covid oder wie immer wir es nennen mögen? Der Begriff ist ja noch nicht einmal einheitlich definiert. Es ist davon auszugehen, dass Covid-19 über verschiedene Krankheitsmechanismen unterschiedliche Folgeerkrankungen auslösen kann. Post-Covid ist, salopp ausgedrückt, ein Sammelsurium von über 50 Symptomen mit vier Untergruppen, die Sie eigentlich auch kennen sollten. Dazu gehören Menschen mit einer organspezifischen Erkrankung, also einer schweren Herz-Lungen-Erkrankung als Folge der primären Infektion, Menschen mit einer dem ME/CFS ähnlichen Symptomatik – darauf werden Sie wahrscheinlich abzielen –, Menschen mit dem Post-Intensive-Care-Syndrom, PICS, und Menschen mit psychosomatischen Beschwerden. Das sind vier verschiedene Gruppen, die untereinander auch noch in gemischter Form auftreten. Ja, das kann er gerne tun, weil Herr Sorge ja immer ganz süffisante Fragen stellt. Herr Sorge, vielen Dank für das ewig lange Statement. Ich habe, glaube ich, eineinhalb Minuten geredet, und Sie haben mich unterbrochen. – Warum soll ich sie denn nicht zulassen? Aber dass wir mit unseren Stellungnahmen die Kranken verhohnepipeln, weise ich wirklich zurück. Ich finde, das ist diskriminierend uns gegenüber. Jeder von uns, auch meine Wenigkeit, aber auch der Gesundheitsminister, auch wenn er jetzt nicht anwesend ist, haben sich vom ersten Tag an für alle Patienten mit Post-Covid mehr als intensiv eingesetzt. Die Unterstellung, ich oder die Ampel würde Patienten verhohnepipeln, weise ich strikt von mir. Also, so einfach, wie Sie es sich vorstellen, ist es nicht, auch nicht mit bestimmten Vorhaben. Ich finde, ehrlich gesagt, es ist fast eine Unverschämtheit, solche Worte in den Mund zu nehmen. Sie haben tatsächlich nur das „Deutsche Ärzteblatt“ dreimal zitiert, mehr haben Sie nicht gemacht. Sie haben kein wissenschaftliches Statement abgegeben. Ich wollte nur klarmachen, dass es keine einfachen Lösungen gibt, wie Sie das immer glauben. Mit ein paar Netzwerken ist es nicht getan. Und es wird auch nicht helfen, tausend Projekte nach dem Gießkannenprinzip anzustoßen, nach dem Motto: Viel hilft viel. Das haben wir schon; darauf komme ich noch zurück. Vielmehr müssen wir ehrlich sein, was Post-Covid und die ganzen Folgeerscheinungen, die ich geschildert habe, betrifft. Es sind noch so viele Probleme in der Grundlagenforschung zu lösen, dass wir nicht erwarten können, dass wir in einem Hauruckverfahren die Problematik vom Tisch fegen. Das muss man einmal ganz klar sagen. Wir haben biomedizinisch, biologisch erhebliche Unkenntnisse, die wir nicht von heute auf morgen beheben können. Ich sage Ihnen auch ehrlich: Alles, was bisher erschienen ist, sind zum Teil Preprints, also keine ausgegorenen Konzepte. Ich gebe Ihnen recht: Das muss besser koordiniert werden. Wenn wir die Studien genauer anschauen, dann sehen wir, dass es mehrheitlich Studien sind, die ohne Kontrollgruppen angelegt werden. Wir müssen also, wenn wir Gelder ausgeben, darauf achten, dass das Studiendesign auch wissenschaftlich kompetent angelegt ist. Sonst passiert gar nichts. Ich empfehle Ihnen das „Journal of Medical Virology“ vom 6. November 2022. Da gibt es eine super Übersichtsarbeit. In dieser Arbeit werden sage und schreibe 230 Veröffentlichungen und 628 in Arbeit befindliche Studien untersucht. Aber ich gehe davon aus, dass Sie diese Studien nicht kennen. Und die meisten Studien erfolgten mit bisher bekannten Wirkstoffen; das ist also überhaupt nichts Innovatives. Wir müssen doch, wenn wir Studien fördern, davon ausgehen, dass wir nicht eine Studie mit einem Betablocker fördern, wie es bisher getan wurde – mit Prednisolon, also Cortison, mit Psychopharmaka –, sondern wirklich an die Grundlagen dieser Erkrankung herangehen und auf diese Art und Weise Wirkstoffe finden. Ich fasse zusammen: Wir haben eine extrem hohe Studienlage. Wenn man genauer liest, werden pro Woche – Herr Sorge, das scheint nicht mehr so interessant für Sie zu sein – ungefähr tausend Studien veröffentlich. Daran sehen Sie, wie schwierig es ist, gezielt Forschung zu betreiben. Ich sage Ihnen eines: Wir nehmen die Betroffenen sehr ernst. Wir wissen auch, dass vermehrt Schindluder getrieben wird; aber die Betroffenen dürfen nicht ausgenutzt werden. Wir wissen mittlerweile, dass es diverse IGeL-Anbieter mit sehr fraglichem Nutzen gibt. Es ist ja verständlich: Wer schwer krank ist und wem nicht richtig geholfen werden kann, der greift nach jedem Strohhalm. – Ja, das letzte Mal vor zwei Stunden, mein lieber Herr Sorge. Ich hätte Sie gern eingeladen, aber Sie waren woanders. Ich sage: Wir müssen Betroffene davor schützen, dass sie Schindluder ausgesetzt sind mit unseriösen Angeboten, die fälschlicherweise als wissenschaftlich fundiert verkauft werden. Das ist ein Politikum, mit dem wir umgehen müssen. Ich möchte auch davor warnen, zu sagen: Es wird schnelle und einfache Lösungen geben, wenn wir statt 10 Millionen Euro 100 Millionen Euro in den Topf legen. – Das muss nicht passieren. Wir können auch 100 Millionen Euro für die Krebsforschung ausgeben; dennoch werden in zehn Jahren immer noch Menschen an Krebs sterben. Das muss einem bewusst sein. Wir haben am 12. Mai 2022 die Nationale Klinische Studien-Gruppe Post-Covid-Syndrom und ME/CFS freigegeben; diese ist in Arbeit. Und ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir am 20. Dezember 2022 im Krankenhauspflegeentlastungsgesetz, dem Sie, glaube ich, nicht zugestimmt haben, § 92 eingepflegt haben, der den Gemeinsamen Bundesausschuss dazu verpflichtet, bis Ende des Jahres – das ist schnell für den G-BA – Versorgungsrichtlinien für Menschen mit Post-Covid und Erkrankungen ähnlicher Symptomatik bereitzustellen. Das ist in Arbeit. Ich gehe davon aus, dass wir im Herbst oder spätestens zum Winter die Beschlüsse des G-BA haben und damit verlässliche Methodenbewertungen, sodass wir diese bei der Versorgung der kassenärztlichen Patienten anwenden können. Ich weiß, ich bin ein bisschen über der Zeit, aber ich bin auch provoziert worden. Ja, ich komme jetzt zum Schluss. Ich hoffe auf eine weiterhin lebhafte Diskussion.