Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir am Ende dieser Debatte drei Bemerkungen. Erste Bemerkung. Wenn sich das Parlament mit dem Thema Wahlrecht beschäftigt – das gilt auch für das Wahlrecht auf EU-Ebene –, dann müssen wir immer von dem Gedanken getrieben sein, wie wir Politik näher an die Menschen bringen, näher an den Wähler bringen, und auch das Wahlrecht attraktiver für den Wähler machen. Das ist heute aktueller denn je. Wir alle können das in Zeiten der Politikverdrossenheit, denke ich, unterschreiben. Diese Europawahlrechtsreform hat zwei Bausteine, über die man wirklich sagen muss, dass sie das Wahlrecht für die Menschen attraktiver machen, und zwar erstens das Spitzenkandidatenprinzip und zweitens die Sperrklausel zwischen 2 und 5 Prozent. Ich will zu beiden etwas sagen. Zum Spitzenkandidatenprinzip. Ich glaube, es ist klar: Es ist immer gut, wenn die Menschen eine politische Ebene mit Personen assoziieren können. Wenn wir das entkoppeln, sorgen wir dafür, dass sich am Ende die parlamentarische Demokratie von den Menschen entfernt. Deswegen, glaube ich, ist das ein gutes Prinzip. Auch bei der Frage der Sperrklausel, um die es heute an der einen oder anderen Stelle gegangen ist, müssen wir uns auch einmal ernsthaft vor Augen führen, dass nicht jede weitere Zersplitterung eines parlamentarischen Gremiums gleichzeitig eine demokratische Errungenschaft ist. Wenn der eine oder andere Einzelkämpfer, der das eigentlich nur zu komödiantischen Zwecken betreibt, in Brüssel durch die Gegend schwirrt, dann ist auch das am Ende eine Veranstaltung, die das Potenzial hat, Demokratie zu beschädigen. Die zweite Bemerkung. Ich habe die große Überschrift genannt: Wie können wir das Wahlrecht attraktiver für die Menschen machen? Das Tragische ist aber, dass die Ampel sich offenkundig an vielen Stellen genau mit dieser Frage nicht beschäftigt. Anders ist es ja nicht zu erklären, warum Sie – auch das ist angeklungen – die Sperrklausel erst 2029 bringen. Beim Thema „Wählen ab 16“ erhoffen Sie sich offensichtlich einen gewissen Profit in der öffentlichen Debatte. Das wird vorangetrieben, das ziehen Sie vor; es wurde gleich am Anfang, vor einigen Wochen, beschlossen. Und so bleibt ein fader Beigeschmack. Ich will Ihnen das so sagen: Im Wahlrecht drängt sich der Eindruck auf, dass die Ampel das macht, was ihr nützt. Die junge Kollegin von der SPD zieht jetzt die Augenbrauen hoch. Jedoch haben Sie genau das ja sogar gerade ausdrücklich eingeräumt: Sie beklagen eine demokratische Entscheidung, die zustande gekommen ist, und das Ergebnis hat Ihnen nicht gepasst, wie Sie sagten, wegen des Abstimmungsverhaltens demokratischer Kräfte. In diesem Kontext postulieren Sie dann, dass wir deshalb jetzt ein Wahlalter ab 16 brauchen. Ich sage Ihnen, liebe Frau Kollegin: Wir sollten Wahlrecht immer losgelöst vom parteipolitischen Kalkül diskutieren, und auch das täte der Ampel gut. Jetzt sind wir bei der dritten Bemerkung, und die widme ich ausdrücklich dem SPD-Kollegen Nürnberger; denn wir müssen an der Stelle wirklich noch mal über das Bundeswahlrecht reden. Ich wollte es heute eigentlich nicht ansprechen. Aber, lieber Kollege Nürnberger, ich fand das dreist, dass Sie heute hier das Thema Bundeswahlrecht angesprochen haben. Nach dieser Nummer, die Sie durchgezogen haben, stelle ich hier einfach mal fest: Sie haben offensichtlich Ihren demokratischen Kompass immer noch nicht gefunden. Denn was ist passiert? Ich will es Ihnen mal zusammenfassen: Wir hatten hier eine Wahlrechtsreformkommission; die haben Sie instrumentalisiert und ad absurdum geführt, und zwar so sehr, dass sogar Ampelsachverständige hingeschmissen haben, weil ihnen die Zeit zu schade war – na selbstverständlich –, in dieser Kommission mitzuarbeiten. Dann war es so, dass alle wichtigen Vorschläge der Ampel nicht in die Kommission eingebracht worden sind, sondern wir haben sie am Sonntagabend aus der Zeitung erfahren, um sie dann am Donnerstag in der Kommission diskutieren zu dürfen. Dann kommen Sie mit der Streichung der Grundmandatsklausel – als gute Demokraten? – auf den letzten Metern: Am Mittwoch war Innenausschusssitzung; am Dienstag früh lag das auf dem Tisch. So viel zu Ihrem Demokratieverständnis. Dann versuchen Sie, dieses ganze Konstrukt, diese Nummer – anders kann man es nicht nennen –, irgendwie noch mit Lügen und mit Falschbehauptungen zu rechtfertigen und über Wasser zu halten. Dementsprechend war dann das Presseecho für Ihre Bundeswahlrechtsreform verheerend, Herr Kollege Nürnberger. Deswegen sage ich Ihnen ganz ehrlich: Dass Sie sich dann hierhinstellen und das Thema anbringen, dafür sollten Sie sich schämen. Sie haben mit dieser Bundeswahlrechtsreform der parlamentarischen Demokratie einen riesigen Schaden zugefügt. – Kollege Fechner, das ist keine Extrawurst der CSU gewesen, sondern das ist das Bundesstaatsprinzip. Da merkt man es: Sie gehen tatsächlich so weit, dass Sie sogar Prinzipien, die wir aus dem Grundgesetz ableiten, infrage stellen. Hauptsache, es geht gegen die CSU. Und das ist Ihr Problem. Ich sage Ihnen: Sie sind keine Demokraten; Sie sind Ampeldemokraten. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.