Zwischenrufe:
1
Beifall:
8
Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Natürlich war es zu erwarten, dass die AfD-Fraktion das Debakel um die Rückgabe der
Benin-Bronzen – ja, es ist ein Debakel ohne Zweifel, das hier passiert ist – nutzen würde,
Beifall bei Abgeordneten der AfD)
um ihre grundlegende Ablehnung der Restitution von Gegenständen aus kolonialen Kontexten öffentlich wieder einmal zu dokumentieren. Zum Beispiel war
von Verschenken von Vermögen die Rede; wir haben das alles gehört. Ich sage an der Stelle ganz ausdrücklich: Das ist nicht unser Verständnis vom Umgang mit
Kulturgegenständen aus kolonialen Kontexten.
Beifall bei der CDU/CSU)
Wir urteilen heute anders über unsere koloniale Vergangenheit sowie über den Umgang mit ihr, als es noch vor wenigen Jahrzehnten der Fall war. Wir
kommen heute zu anderen Schlussfolgerungen, und deswegen verwahre ich mich auch ausdrücklich für meine Fraktion gegen den Rassismusvorwurf, der hier erhoben
worden ist.
Beifall bei der CDU/CSU)
Das ist doch nur ein billiges Instrument gewesen, um eine Debatte, die so notwendig ist, abzuschneiden.
Beifall bei der CDU/CSU)
Das ist aber nicht sinnvoll; denn wir hatten es uns eigentlich zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe gemacht, einen Umgang mit Sammlungsgut aus
kolonialen Kontexten zu finden, an dessen Ende oftmals Kooperation und auch Restitution stehen. Umso bedauerlicher ist es, dass das Duo aus Außenministerin
Baerbock und Staatsministerin Roth mit dem Debakel um die Rückgabe der Benin-Bronzen genau diesen Blick auf den Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen
Kontexten – freundlich formuliert – getrübt und erschwert hat. Sie haben damit der Aufgabe einen Bärendienst erwiesen.
Sie waren doch dabei! Das ist Heuchelei!)
Es ist im Grunde genommen ein Lehrstück, ein Lehrstück dafür, wie moralische Überhöhung blind machen kann, zu sachgerechten Lösungen auf Dauer zu
kommen. Offensichtlich haben sowohl Außenministerin Baerbock als auch Staatsministerin Roth der nötige Sensus dafür gefehlt, rechtzeitig zu erkennen, was mit
den Benin-Bronzen nach der Rückgabe an Nigeria alles geschehen könnte. Ich hoffe einmal nicht, dass es billigend in Kauf genommen worden ist oder die Augen
bewusst verschlossen wurden.
Beifall bei der CDU/CSU)
Es scheint, als sei das Knallbonbon der Gewissheit der eigenen moralischen Überlegenheit wichtiger gewesen
Zuruf von der AfD: So ist es!)
als eine gewissenhafte Prüfung der Umstände, unter der eine Rückgabe erfolgt.
Dass der scheidende Staatspräsident Nigerias kurz vor dem Ende seiner Amtszeit die Eigentumsrechte an den Benin-Bronzen an den Oba überträgt, ist mehr
als erschreckend. Es ist insofern eine besonders brisante Gemengelage, als dass die ehemalige Königsfamilie seinerzeit gerade aufgrund von
Menschenrechtsverletzungen wie dem Sklavenhandel zur Entstehung der Benin-Bronzen beigetragen hat. Hier passiert im Grunde genommen genau die Umkehrung dessen,
was wir eigentlich versuchen, nämlich die Zugänglichmachung identitätsstiftender Kulturgüter für und die Eigentumsübertragung an die heutigen
Herkunftsgesellschaften als Ganzes und nicht an Einzelne.
Beifall bei der CDU/CSU)
Der Vorfall verdeutlicht die Komplexität und Sensibilität von Verbringungshistorien und Eigentumsansprüchen im Kontext von Kulturgütern aus kolonialen
Kontexten und lässt die Frage nach dem jeweiligen politischen Gestaltungsspielraum wichtiger denn je erscheinen. In ihrem Essay „Was soll zurück? Die
Restitution von Kulturgütern im Zeitalter der Nostalgie“ schreibt Frau Professorin Sophie Schönberger – ich darf zitieren –:
Eine Gesellschaft, die sich für das Zurückgeben entscheidet und sich auf diese Weise ihrer Vergangenheit stellen will, muss sich auch mit der
Bedeutung dieses am Ende höchst symbolischen Aktes auseinandersetzen. Dafür ist es vor allen Dingen erforderlich, dass das Zurückgeben nicht als etwas
Selbstverständliches, Vorgegebenes oder gar Erzwungenes dargestellt wird, sondern als bewusster politischer Prozess, den es zu gestalten gilt. Die reparative
Nostalgie, dieses wohlige Gefühl, mit dem die Vergangenheit geheilt werden soll, kann diese politische Gestaltungsdimension mitunter in den Hintergrund treten
lassen.
Genau das ist passiert, als im Dezember des vergangenen Jahres Außenministerin Baerbock und Kulturstaatsministerin Roth in einem staatsaktgleichen
Zeremoniell die ersten Benin-Bronzen nach Nigeria zurückgebracht haben. Da kann man sich schon fragen, ob hier nicht voreiliger Aktionismus an den Tag gelegt
wurde und ein „Schnell, schnell“ Vorrang vor einem besonnenen Übertragungsprozess hatte.
Beifall bei der CDU/CSU)
Die dünne Ausgestaltung der gemeinsamen Erklärung zwischen Deutschland und Nigeria lässt Zweifel an Angemessenheit und gründlicher Vorbereitung
aufkommen.
Wichtig für die Zukunft bleibt: Es muss jede Rückgabe einzeln betrachtet werden. Die Restitution von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten bleibt ein
Prozess, der jeweils mit Augenmaß, in partnerschaftlicher Kooperation auf Augenhöhe und mit Vertrauen der Vertragspartner ineinander geführt werden muss und der
die nötige Zeit braucht. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir zu einem konstruktiven Umgang zurückkehren und dass auch die Gestaltungsdimension wieder
wahrgenommen wird.
Beifall bei der CDU/CSU)
Als Nächstes hat das Wort Erhard Grundl für Bündnis 90/Die Grünen.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)