Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die deutsche Fischerei befindet sich in einer anhaltenden Existenzkrise. – Bei dieser Analyse gehe ich völlig mit; da gibt es nichts zu leugnen. In Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU, dreht es sich aber, wie übrigens auch schon bei der letzten Fischereidebatte, im Endeffekt nur um die Krabbenfischerei in der Nordsee. Aber gehen wir mal in die Tiefe. Sie würden gerne „Kutter- und Küstenfischerei“ und „kleinere Ausflugsschifffahrt“ in § 6b des Einkommensteuergesetzes mit aufnehmen. Dieser Paragraf kümmert sich um sogenannte stille Reserven. – Achtung, jetzt wird es kurz technisch: Eine „stille Reserve“ liegt vor, wenn der eingetragene Restwert von Wirtschaftsgütern, beispielsweise ein Kutter, unter dem tatsächlichen Marktwert liegt. Der Kutter ist also auf dem Markt mehr wert als in meinen Büchern vermerkt. Das ist eine aktive stille Reserve. Nach § 6b des Einkommensteuergesetzes kann ich bei Verkauf meines Kutters diese stille Reserve auf einen neuen Kutter anrechnen oder zum Beispiel in eine Rücklage als passive stille Reserve übertragen. Ihre Überlegung ist: Wenn der Kutterfischer den Gewinn des Verkaufs nicht direkt versteuern muss, hat er mehr Geld, das er beispielsweise in einen neuen Kutter investieren kann. Jetzt schauen wir uns aber mal bitte die Realität an: Wir haben nicht mal genaue Zahlen über den Gebrauchtkuttermarkt, aus denen wir ableiten könnten, über welche Summen wir reden. Aber selbst bei Zwangsversteigerungen – dazu haben wir Zahlen – konnten Kutter zum Teil nicht veräußert werden, weil es schlichtweg kein Interesse daran gab. Das liegt daran, dass alte Kutter normalerweise von Existenzgründerinnen und Existenzgründern, also neuen Fischereibetrieben, aufgekauft werden, und da schaut es aktuell richtig düster aus. Es gibt schlichtweg keine Neugründungen. Niemand will – im wahrsten Sinne des Wortes – auf ein sinkendes Schiff setzen. Bei den Kosten eines neuen Kutters kommt es auf das Flottensegment an. Bei den Krabbenkuttern reden wir über durchschnittlich 1 bis 1,5 Millionen Euro. Dabei handelt es sich um bestehende Modelle am Markt. Da reden wir noch nicht über umweltschonende und emissionsarme Antriebstechnologien, wie sie in Ihrem Antrag beschrieben sind. Die meisten Fischereibetriebe befinden sich aufgrund der aktuellen Situation nicht in der Lage, solche Summen – ob mit oder ohne Gültigkeit des § 6b Einkommensteuergesetz – für Kutter aufzubringen. Wenn wir den Flottenumbau tatsächlich unterstützen wollen, dann müssen wir einerseits stärker in die Erforschung nachhaltiger Antriebsformen, wie beispielsweise Ammoniak, investieren und andererseits die Fischereibetriebe in die Lage versetzen, selbst Investitionen zu tätigen. Das ist nicht so einfach, dass man es in eine halbe Seite Antrag gießen könnte. Ich versuche trotzdem mal, es zu skizzieren: Zinsgünstige Darlehen, Bürgschaften oder eine eigene Branchenbank, die weniger Rückstellungen für einen Kredit möchte, sind leider EU-beihilferechtlich fragwürdig. Hier wäre ein gangbarer Weg, bedingt rückzahlbare Zuschüsse zu prüfen, die erst zurückgezahlt werden müssen, wenn eine gewisse Gewinnmarge erreicht ist. Ich müsste das Geld also erst dann zahlen, wenn ich mit meinem Betrieb genug Umsatz mache und mein Unternehmen sich das auch leisten kann. Auch Investitionsbeihilfen für Unternehmen, die über die Unionsnorm beim Umweltschutz hinausgehen, beispielsweise durch die Tätigkeit als Marine Ranger oder im Algenanbau, wären denkbar. Dann helfen wir gezielt den Betrieben, die bereit sind, ihren Teil zum Schutz unserer Meere beizutragen. Im aktuellen Zustand ist unsere Fischerei – und das tut mir weh – nicht zukunftsfähig. Wir reden über systemische Probleme, und dabei hilft uns kein Klein-Klein und kein ewiges „Na ja, machen wir halt irgendwie weiter so“. Würde das funktionieren, würden wir heute nicht vor kollabierenden Beständen, vor einem nicht funktionierenden EU-Fischereisystem und vor der Situation der Branche stehen, in der sie sich befindet. Diese Situation ist fatal; denn wir brauchen die Fischerei. Fisch ist gesund und die CO2– und fütterungsärmste tierische Proteinquelle, die wir haben. Sollten wir unsere Fischerei sterben lassen, dann ist das Resultat nicht – da müssen wir uns nichts vormachen –, dass wir keinen Fisch mehr auf den Tellern haben, sondern dass der Fisch aus Regionen und Ländern kommen wird, in denen Umwelt- und Naturschutz weniger oder keine Rolle spielen, und das darf und kann nicht unser Ziel sein. Wir müssen dieses systemische Problem unserer Fischereibranche auch systemisch angehen. Dafür brauchen wir zeitnah – ich wiederhole: zeitnah – die „Zukunftskommission Fischerei“. Wir brauchen eine funktionierende nachhaltige Perspektive für die Fischerei mit sicheren Jobs und mit guten Beständen. Wir brauchen landgestützte Aquakulturen, ein ökosystembasiertes Fischereimanagement, ein Flottenbauprogramm. Wir müssen die Ausbildung reformieren und erweitern. Wir müssen den EMFAF sinnvoll nutzen und meiner Meinung nach auch das EU-Beihilferecht anfassen. Das alles sind Punkte, die eine „Zukunftskommission Fischerei“ gemeinsam mit der Branche, der Wissenschaft und den Umweltverbänden beraten muss. Es gibt viel zu tun, und es gibt sinnvolle Vorschläge, wie man das umsetzen kann. Das schaffen wir aber nicht mit einem Schaufensterantrag, bei dem nicht nur unklar ist, wem das in welchem Umfang überhaupt nutzt, sondern dessen Forderungen Sie in Ihrer 16-jährigen Regierungsbeteiligung auch hätten umsetzen können, wenn Ihnen so sehr daran gelegen hätte. Dieser Antrag wird bestimmt auch nicht zufällig nur drei Tage vor der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein hier im Plenum des Deutschen Bundestages debattiert. Lassen Sie uns gemeinsam ernsthaft daran arbeiten, dass wir die Branche auf den richtigen Weg bringen und eine Zukunft für die deutsche Fischerei nicht nur in der Nord-, sondern auch in der Ostsee haben! Herzlichen Dank.