Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Umstand, dass die AfD-Fraktion ihren Fraktionssaal „Saal Paulskirche“ benannt hat, ist nicht nur eine Verhöhnung der Paulskirche und der Demokratie, es ist im Grunde eine Schande für die deutsche Demokratie und für dieses Parlament. Dass Sie sich darauf berufen, ist ausgesprochen beschämend für Sie selbst. Es hat aber System; denn es findet sich ja in Ihrem Fraktionssaal ein Bildzyklus, der vom Lützower Freikorps über das Wartburgfest, das Hambacher Fest und die Paulskirchenversammlung bis zu Bismarck und der Reichsgründung, dann über die Weimarer Republik und Verfassung hin zur Wiedervereinigung führt. Bei diesem Bildzyklus, auf den Sie ja unheimlich stolz sind, fehlen aber der Holocaust, die Shoah, die NS-Zeit und auch das Grundgesetz. Insofern – das haben Sie ja auch heute in Ihren peinlichen und beschämenden Wortbeiträgen deutlich gemacht – ist der „Vogelschiss“-Vergleich nicht etwa nur eine Äußerung von Gauland gewesen, sondern er ist systematisch für Ihr Geschichtsverständnis. Sie haben mit einem Bekenntnis zu den Verbrechen der Shoah und einem Bekenntnis zum Grundgesetz nichts zu tun. Wenn Sie hier mit den Farben Schwarz-Rot-Gold auftreten – auch bei diesem Bildzyklus sind diese Farben betont –, ist das wirklich eine Karikatur des Patriotismus. Jeder ernsthafte Patriot und jede Patriotin in diesem Land dreht sich um vor Scham, wenn er oder sie Sie erleben muss. Das hat dieses Land wahrlich nicht verdient. Dieser Patriotismus bezieht sich nicht auf das Vater- und Mutterland echter Demokraten, und es ist gewiss nicht das Vater- und Mutterland des Geistes, den Sie vertreten. Aber daraus dürfen wir nicht den falschen Schluss ziehen. Gerade weil Sie ja systematisch den Missbrauch der Paulskirche betreiben, ist unsere Antwort, nicht zu schweigen, sondern die völkische Verkürzung, die Sie vornehmen, ausdrücklich nicht zu vollziehen. Im Zusammenspiel von Einheit und Freiheit stehen wir für die Freiheit als das – das sage ich ganz ausdrücklich – zentrale Prinzip, und zwar für die Freiheit aller Menschen in diesem Land, wie sie schon angelegt ist im Grundgedanken der Pauskirchenverfassung, die zwar mit der Missachtung von Frauen noch ein riesiges Defizit hatte, aber die Prinzipien Versammlungsfreiheit, Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit, Redefreiheit beinhaltete, also all das, was gegenwärtig jeden Tag von Ihnen mit Füßen getreten wird. Das ist das Zentrale an der Paulskirchenverfassung: Sie gibt uns einen Kompass. Wesentliche Teile sind eingegangen in die Weimarer Verfassung und das Grundgesetz. Deshalb war die Paulskirchenverfassung, die unter schwierigen Bedingungen entstanden ist, ausgesprochen modern. Sie hat den Missbrauch, den manche mit ihr betreiben, nicht verdient. Wenn diese Paulskirchenverfassung von uns ernst genommen wird, dann ist es im Übrigen konsequent, dass wir uns für Demokratieförderung und für ein Demokratiefördergesetz einsetzen. Wenn Sie, Frau Bär, uns seitens der CSU den guten Ratschlag geben, die Mittel anders zu verwenden, dann gebe ich Ihnen den guten Ratschlag: Nutzen Sie das Geld, das Sie für Delegationsreisen zu Herrn DeSantis ausgeben, lieber, um es in die Demokratie und deren Unterstützung vor Ort zu investieren. Ich könnte Ihnen eine Reihe von Projekten nennen, die mit ein paar tausend Euro im Sinne der Paulskirchenverfassung sehr gut arbeiten könnten. Also, seien wir laut, stehen wir zur Paulskirchenverfassung, und seien wir vielleicht auch ein bisschen selbstbewusster. Den Mut und das Selbstbewusstsein derjenigen, die sich für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses – bei aller berechtigten Kritik; das ist eine persönliche Anmerkung – und auch der Garnisonkirche eingesetzt haben, wünsche ich mir erst recht, wenn es um das Bekenntnis zum Gedenkort, zum Demokratieort Paulskirche geht. Vielen Dank.