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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute möchten wir als Deutscher Bundestag zum ersten Mal einen Bürgerrat
einsetzen.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dabei ist das Instrument des Bürgerrats für uns nicht neu. Bereits in der letzten Legislaturperiode hat es zum Thema „Deutschlands Rolle in der Welt“
unter der Schirmherrschaft von Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble einen sogenannten Modellbürgerrat gegeben. Dieser wurde begleitet und evaluiert von
einer Projektgruppe der Wissenschaftlichen Dienste der Bundestagsverwaltung.
Das haben SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag aufgegriffen:
Wir wollen die Entscheidungsfindung verbessern, indem wir neue Formen des Bürgerdialogs wie etwa Bürgerräte nutzen, ohne das Prinzip der
Repräsentation aufzugeben. Wir werden Bürgerräte zu konkreten Fragestellungen durch den Bundestag einsetzen und organisieren. Dabei werden wir auf
gleichberechtigte Teilhabe achten. Eine Befassung des Bundestages mit den Ergebnissen wird sichergestellt.
So steht es im Koalitionsvertrag.
Im April 2022 hat der Ältestenrat beschlossen, eine Berichterstattergruppe einzurichten, in der jede Fraktion mit einem Mitglied vertreten war. Wir
haben uns ein ganzes Jahr lang in zehn Sitzungen und unzähligen Abstimmungsgesprächen in aller Ausführlichkeit mit dem Instrument Bürgerrat beschäftigt. Wir
haben den Kontakt zur Wissenschaft gesucht und uns ganz intensiv, detailliert und auch kontrovers mit der Themenfindung auseinandergesetzt. Unsere
Zusammenarbeit in der Berichterstattergruppe war sehr gut. Dafür danke ich allen Kolleginnen und Kollegen, aber auch dem Aufbaustab der Verwaltung sehr, sehr
herzlich.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mir lag immer das Gemeinsame am Herzen, weil ich der Überzeugung bin, dass ein Bürgerrat ein starkes Mandat des Parlaments braucht. Umso trauriger
macht es mich – und das möchte ich schon so offen sagen –, dass die Union jetzt nicht bereit ist, gemeinsam mit den anderen demokratischen Fraktionen diesen
Einsetzungsbeschluss zu tragen.
Beifall bei der SPD sowie des Abg. Leon Eckert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wenn ich nun höre, dass Bürgerräte vonseiten der Union als Alibiparlamente bezeichnet werden, dann kann ich nur noch den Kopf schütteln. Der Bürgerrat
ersetzt weder unseren parlamentarischen Auftrag, noch gefährdet er ihn. Bürgerräte dürfen auch nie isoliert betrachtet werden, sondern sie müssen im Kontext
gesehen werden. Bürgerräte – davon bin ich überzeugt – stärken unser parlamentarisches System und unsere Demokratie nachhaltig, weil bei Bürgerinnen und Bürgern
ein Bewusstsein geschaffen wird, wie Demokratie funktioniert und wie demokratische Prozesse organisiert werden müssen. Und Bürgerräte können uns helfen bei
unserer Entscheidungsfindung zu komplexen Themen, weil sie Debatten bereichern und einen Mehrwert schaffen.
Ich glaube auch, dass das Thema des ersten Bürgerrates geeignet ist, eine komplexe Debatte aus einer differenzierten Bürgersicht zu beleuchten. Wir
haben versucht, den Auftrag an den Bürgerrat so umfassend und gleichzeitig so präzise wie möglich zu fassen. Wir wollen das Thema Ernährung in seiner ganzen
Vielfalt und seiner ganzen gesamtgesellschaftlichen Bedeutung besprechen.
Dem Bürgerrat gehören 160 Personen an, die nach dem Zufallsprinzip aus allen Menschen über 16 Jahren mit Erstwohnsitz in Deutschland ausgewählt
werden. Der Bürgerrat wird von einer inhaltlich neutralen Moderation geleitet. Er arbeitet völlig transparent. Der Verlauf der Beratungen wird der
Öffentlichkeit selbstverständlich zugänglich gemacht. Es werden drei Informationsveranstaltungen für interessierte Abgeordnete angeboten. Ein wissenschaftlicher
Beirat und die Einbindung von Stakeholdern sollen Offenheit und Legitimität des Prozesses erhöhen.
Schließlich wird dieser Bürgerrat am 29. Februar 2024 seine Handlungsempfehlungen in Form eines Bürgergutachtens vorlegen. Damit möchten und müssen
wir uns als Deutscher Bundestag intensiv auseinandersetzen; denn das ist, glaube ich, wichtig für das Vertrauen der Menschen, die sich dort engagieren, in die
Demokratie, dass der Bundestag dieses Gutachten nicht ablehnt, sondern es in den entsprechenden Ausschüssen und natürlich auch im Plenum des Bundestages
wirklich bearbeitet wird.
Zusammenfassend: Ich glaube, es ist ein wirklich guter Beschluss, es ist ein guter Tag für die Demokratie, und es wird eine Brücke gebaut zwischen
Bürgerinnen und Bürgern und der Politik. Ich darf deswegen ganz herzlich um Zustimmung bitten zu diesem Einsetzungsbeschluss, liebe Kolleginnen und
Kollegen.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich grüße Sie alle ganz herzlich, freue mich auf die dynamische Debatte, die jetzt folgen wird, und rufe sofort auf:
Steffen Bilger für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)