Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Houben, Sie waren in der letzten Woche einer der Ersten, die den Rücktritt von Herrn Staatssekretär Graichen gefordert haben. Ich frage mich: Wo ist Ihr Mut geblieben? Es wäre doch gut gewesen, wenn Sie sich auch heute getraut hätten. Sehr geehrter Herr Minister Habeck, ich habe Ihnen mal den Fünf-Punkte-Plan für saubere und transparente Politik der Grünen, den Sie noch als Parteivorsitzender beschlossen haben, mitgebracht. Darin heißt es – ich zitiere –: „Schon dem bösen Schein gekaufter und beeinflusster Politik muss entgegengewirkt werden.“ „Der Einfluss von organisierten Lobbyisten hat stark zugenommen, dennoch tut sich nichts.“ Das stimmt: Nicht nur dem bösen Schein – der ist nämlich schon längst vorhanden – muss entgegengewirkt werden; heute sitzen die Lobbyisten mit ihren Familien sogar in der Regierung; das ist der Unterschied. Heute hätten Sie für saubere und transparente Politik einstehen können. Aber als Allererstes legen Sie die beiden Ausschüsse zusammen, um eine getrennte Vernehmung, um eine getrennte Anhörung von Ihnen beiden – von Herrn Graichen und von Ihnen, Herr Habeck – und widersprüchliche Aussagen zu verhindern. Solch eine Sorge angesichts einer getrennten Vernehmung kennt man eigentlich nur aus dem Strafprozess, und da hat man meistens etwas zu verbergen. Dass Sie nun glauben, man könne mit vier Fragen pro Fraktion dieses Netz an Verquickungen aufklären, ist schon fragwürdig. Aber – Stichwort „Transparenz“ – dass Sie die Öffentlichkeit gleich zweimal ausschließen, dieses Verhalten ist einer „Transparenzpartei“, wie Sie von Bündnis 90/Die Grünen sich selber nennen, nicht würdig. Sie predigen den Wein, den Sie am Ende trinken. – Kleiner Versprecher. – Sie haben Wasser gepredigt und Wein getrunken. Dies scheint die neue grüne Devise zu sein. – Wir trinken gerne auch mal ein Bier zusammen, Herr Kollege Limburg. Wenn man Ihnen dann den Spiegel vorhält, dann werden Sie schnell dünnhäutig. Ich kann nicht verstehen, dass Sie nach Kabinettsbeschlüssen zum Heizungsverbot im Ministerium feiern, während viele Leute Angst haben und sich Sorgen machen, ihr Haus zu verlieren. Gleichzeitig reden Sie hier, Herr Kollege Audretsch, von der Fossillobby. Ich sage Ihnen: Was fossil ist, ist die Personalpolitik, die Sie in diesem Ministerium machen. Dann erklärt Herr Banaszak noch, dass wir ja wieder die Schuldigen wären. Ich sage Ihnen: Im Ablenken von Problemen sind Sie Weltmeister; im Lösen der Probleme sind Sie Kreisklasse. Bei Ihnen gilt das Motto: Verdecken! Vertuschen! Verschleiern! – Aufgeklärt und „geheilt“, wie Sie es nennen, Herr Minister, wurde bislang immer nur das, was ohnehin scheibchenweise ans Tageslicht gekommen ist. Sie machen dann reinen Tisch, wenn es nottut. Gestern ziehen Sie den Trauzeugen Schäfer aus dem Verkehr. Heute kommt raus, dass er einen unterschriebenen Arbeitsvertrag hat und finanzielle Forderungen gegenüber der dena respektive dem Staat bestehen. Der Ablauf ist spannend: Der Aufsichtsrat entscheidet Anfang April, dass der Trauzeuge Schäfer benannt werden soll. Erst zwei Wochen später wird der Arbeitsvertrag unterschrieben, und urplötzlich fällt Herrn Staatssekretär Graichen ein: Oh, das ist ja mein Trauzeuge. – Und dann sagt er genau drei Tage nach dieser Vertragsunterzeichnung, dass das Ganze nicht geht, weil das ja sein Trauzeuge ist. Dieser Staatssekretär Graichen versorgt nicht nur Familie und Freunde, er sorgt sogar für einen finanziellen Schaden, und das mit Vorsatz. Deswegen werden wir das weiter aufklären. Dabei sind noch lange nicht alle Fragen beantwortet. Welche dienstrechtlichen Konsequenzen hat das Verhalten von Herrn Graichen? Welchen Kontakt hatte Herr Graichen zur Personalagentur, und wie wurden aus sechs Kandidaten ein Trauzeuge? Wie viele Stellen wurden in den letzten Monaten eigentlich mit Freunden und Bekannten von der Agora Energiewende, dem Öko-Institut und anderen Organisationen besetzt? Und kann Herr Graichen eigentlich versichern, dass er und seine Familienmitglieder nicht sogar selbst von dieser Politik profitieren? Ich sage Ihnen: Vorhang zu und alle Fragen offen – damit werden Sie nicht durchkommen. Herr Minister, es wird Zeit, dass Sie Ihren Staatssekretär entlassen, und zwar schneller, als die Deutschen ihre Heizung austauschen! Vielen herzlichen Dank.