Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie, Frau Außenministerin, haben eine wertebasierte und deutlich hörbare Außenpolitik angekündigt. Dazu habe ich eine Frage. Julian Assange sitzt jetzt seit mehr als 1 000 Tagen in Isolationshaft in Großbritannien. Im Wahlkampf waren Sie deutlich hörbar dafür, seine Auslieferung zu verhindern und seine Freilassung zu erreichen; denn er deckte Kriegsverbrechen der USA auf. Aber nicht die Kriegsverbrecher sollen zur Verantwortung gezogen werden, sondern er soll in den USA verurteilt werden. Nun gab es das erste Urteil, das die Auslieferung ablehnte. Als Sie Ministerin wurden, kam das zweite Urteil, das die Auslieferung anordnete. Sie haben nichts dazu gesagt. Sehen Sie, das führt dazu, dass Politikerinnen und Politiker immer unglaubwürdiger werden. Sie hatten vor dem Eintritt in das Ministeramt eine Meinung. Vielleicht haben Sie sie jetzt auch noch; aber Sie äußern sie nicht mehr. Genau das geht nicht, wenn man eine wertebasierte Außenpolitik machen will. Ich bin auch für gute Beziehungen zu den USA und zu Großbritannien; aber Duckmäusertum hilft dabei nicht weiter. Im Koalitionsvertrag steht, dass es ein Ziel ist, bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr zu bekommen. Ich kann davor nur warnen. Der US-Drohnenkrieg forderte Tausende zivile Opfer, wie die „New York Times“ jetzt enthüllt hat. Glauben Sie eine Sekunde daran, mit bewaffneten Drohnen Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte durchsetzen zu können? Es ist eine reine Angriffswaffe, und das steht im Widerspruch zum Verteidigungsauftrag des Grundgesetzes. Jetzt komme ich zu Russland. Auch uns stört der massive Aufmarsch der Soldaten an der Grenze zur Ukraine. Aber wir dürfen eins nie vergessen, Graf Lambsdorff: Nicht die Sowjetunion hat Deutschland im Zweiten Weltkrieg überfallen, sondern Deutschland hat die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg überfallen. Das kostete dieses Land 27 Millionen Opfer. 1962 gab es die Kuba-Krise. Bei dieser Kuba-Krise war zwischen der Sowjetunion und Kuba vereinbart worden, dass sowjetische Raketen unter sowjetischer Kontrolle auf Kuba aufgestellt werden. Als die Schiffe unterwegs waren, rief Kennedy Chruschtschow an und sagte, das könne er nicht zulassen. Er müsse die Schiffe beschießen, weil das die Sicherheit der USA gefährde, und dann gebe es einen dritten Weltkrieg. Daraufhin hat Chruschtschow glücklicherweise die Schiffe umdrehen lassen. Dafür haben die USA Raketen aus der Türkei abgezogen. Auch heute wäre das so. Stellen Sie sich doch mal vor, drei souveräne Staaten, Russland, Mexiko und Kuba, vereinbarten, dass russische Soldaten auf Kuba und in Mexiko mit russischen Waffen stationiert würden. Niemals würden die USA das hinnehmen und die NATO auch nicht. Warum billigten und billigen Sie den USA einen Sicherheitsabstand zu, aber Russland nicht? Das ist nicht nachvollziehbar. Was die Ukraine betrifft: Russland verletzt Minsk II, aber die Ukraine auch. Warum erwähnen Sie immer nur das eine und nie das andere? Und noch was: Es gab ein Axiom in der NATO, dass kein Staat aufgenommen wird, der in einem Territorialkonflikt ist. Die Ukraine ist in einem Territorialkonflikt. Das kann ganz schnell zum Bündnisfall führen. Die Europäische Union ist aber etwas anderes. Damit kann man auch ihre Sicherheit erhöhen. Putin ist heute zweifellos negativer als früher. Aber 2001 hat er hier im Bundestag gesprochen und die Zusammenarbeit auf allen Gebieten angeboten, und der Westen war zu arrogant, darauf einzugehen. Das ist der Punkt. Sie haben sich auch zur Friedenspolitik bekannt, Frau Außenministerin; das finde ich völlig richtig. Aber dann muss endlich und sofort die Bundeswehr aus Mali abgezogen werden. Wir haben die Offiziere ausgebildet, die dort Putsche begehen. Die Staaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, ECOWAS, schließen die Grenzen zu Mali, ziehen ihre Botschafter ab, und wir bilden weiter aus. Das geht einfach nicht. Und letztlich: Wir brauchen eine gute Beziehung zu den USA, zu Russland und zu China. Dazu muss man Vertrauen herstellen. Wir haben zu allen drei Staaten keine guten Beziehungen, und das geht nicht. Wir brauchen diesbezüglich, so wie Biden es gesagt hat, endlich wieder das Völkerrecht und die Diplomatie.