Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Mein Vorredner war das beste Beispiel dafür, warum wir in dieser Debatte manchmal durchatmen müssen. Gerade wenn wir uns angucken, was wir in den letzten Tagen in der Zeitung gelesen haben – Vergleiche mit Straßenschlachten in der Weimarer Republik oder ein Herr Dobrindt, der immer wieder von der „Klima-RAF“ spricht –, dann muss man sagen, dass wir hier in vielen Teilen eine Verharmlosung schlimmster Formen der Gewalt erleben und schlicht eine Relativierung der Geschichte. Ich sage ganz ehrlich: Ich finde diese Protestform kontraproduktiv. Ich glaube nicht, dass sie dazu beiträgt, gesellschaftliche Mehrheiten im Kampf gegen die Klimakrise zu gewinnen. Denn es ist doch völlig klar, dass wir den Kampf gegen die Klimakrise nur dann gewinnen können, wenn wir politische und gesellschaftliche Mehrheiten haben. Über all das wird im Vergleich zu ein paar Dutzend Aktivisten, die sich auf der Straße ankleben, relativ wenig diskutiert. Das ist fahrlässig. Dabei brauchen wir jeden an unserer Seite, der dabei mitwirken will und mitwirken kann. Aber wer die Legitimität der Demokratie als Ganzes anzweifelt, ist kein Partner im Kampf gegen die Klimakrise. Ebenso klar ist doch auch, dass die „Letzte Generation“ als Ganzes, ihre Methoden sowie ihre Ziele nicht extremistisch sind; das sagt auch der Präsident des Verfassungsschutzes. Es ist ein durchaus paradoxer Aspekt. Herr Thomae hat es auch schon angesprochen. Ihre Ziele sind doch im Vergleich zu den Methoden sehr gering: Sie wollen ein 9-Euro-Ticket, ein Tempolimit. Aber was tun wir? Wir reden nur über ihre Methode. Wir reden über das, was sie tun, und der öffentliche Aufruhr steht in keinem Verhältnis zu dem, was sie fordern. Die Demonstrationsfreiheit – das haben wir hier auch schon mehrfach gehört – ist ein hohes Gut. Die Grenze der Demonstrationsfreiheit verläuft spätestens dort, wo Menschen gefährdet werden. Menschen werden aber auch gefährdet durch die Selbstjustiz der Autofahrerinnen und Autofahrer in den letzten Tagen. Genau deswegen tut es uns gut, wenn wir in dieser Debatte, vor allem in den öffentlichen Äußerungen, einen Gang zurückfahren, um nicht den Anreiz zu setzen, auszusteigen und das Problem selbst zu lösen. Wir schauen uns heute den Antrag der Union zum zweiten Mal an: Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, werden auch mitbekommen haben, dass wir im Strafrechtsjahr sind, dass wir uns vorgenommen haben, das Strafrecht zu modernisieren und auszumisten, dass wir uns vorgenommen haben, die Strafverfolgungsbehörden endlich zu entlasten. Ein Grund, warum wir im Strafrecht ausmisten müssen, ist Ihre Problemlösung. Denn wenn man nur einen Hammer zur Verfügung hat, ist jedes Problem ein Nagel. Wir wollen endlich eine Strafrechtspolitik machen, die der Zeit angemessen ist. Schauen wir einmal genau hin: Es gibt keine Strafbarkeitslücke. Entweder das Handeln, so wie es durchgeführt wird, ist eine Straftat, oder es ist eben keine Straftat, weil es von dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit gedeckt ist. Sie wollen die Ausweitung des Nötigungsparagrafen durch Regelbeispiele. Sie wollen einen besonders schweren Fall dann, wenn eine große Zahl von Menschen genötigt wird und dadurch zum Beispiel lange Staus im Berufsverkehr verursacht werden. Sie wollen dann eine Strafe von drei Monaten bis fünf Jahren Haft. Erstens zweifle ich an, dass das Schutzgut „Berufsverkehr“ nicht populistischer Natur ist. Zweitens bin ich davon überzeugt, dass wir als Gesetzgeber ans Schuldprinzip gebunden sind. Auch wir müssen, wenn wir Gesetze machen, darauf achten, ob sie der Schwere der Straftat gerecht werden. Sie wollen das Ankleben auf der Straße künftig bestrafen wie den sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen, einen tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte oder Gefangenenmeuterei. Das ist der Strafrahmen, an dem Sie sich orientieren, und das zeigt doch: Ihre Forderung ist völlig unverhältnismäßig. Sie wollen um jeden Preis Aktivistinnen und Aktivisten in Haft sehen. Und dann verkennen Sie auch noch unser Strafsystem. Haftstrafen unter sechs Monaten sollen nur in absoluten Ausnahmefällen als Ultima Ratio verhängt werden; denn sie richten mehr Schaden an, als sie nutzen. In unter sechs Monaten hat das System keine Chance, auf die Straftäterinnen und Straftäter einzuwirken. Es verkennt also den spezialpräventiven Charakter der Strafe. Zusammenfassend: Was Sie hier vorlegen, ist ein untauglicher Versuch. Aber zoomen wir noch raus zu dem, was in der Welt passiert: Spanien hat wegen der anhaltenden Dürre bei der EU Notfallhilfen für die Landwirtschaft beantragt. Auf der thailändischen Insel Phuket wurde eine Hitzewarnung wegen gefühlten Temperaturen von 45 Grad herausgegeben. In Frankreich wird Wasser rationiert, und es beginnen die ersten Verteilungskämpfe ums Wasser. Ich bin froh für jeden und jede, der seine Kraft und Energie dafür einsetzt, gemeinsam für die politischen Mehrheiten im Kampf gegen die Klimakrise zu werben. Aber diese Protestform zeigt leider auch, dass wir hier eine Debatte über Formfragen anstatt über Inhalt führen. Zu guter Letzt will ich auf ein gewisses pädagogisches Problem hinweisen. Erst gestern haben Mitglieder dieser Bundesregierung hier darauf hingewiesen, dass sich in diesem Land alle Menschen an Recht und Gesetz zu halten haben; eigentlich selbstverständlich für einen Rechtsstaat. Dann ist es schwierig, wenn Mitglieder der Bundesregierung gleichzeitig verkünden, dass das Klimaschutzgesetz für sie nicht gilt. Vielen Dank.